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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rechts und links des Gesichtes über den Körper. Sie hatte es hochgesteckt, eine Art Krönung der rotleuchtenden, schmalen, zarten Figurine aus dem Märchenland, die sie darstellte. All das gesammelte Farbenstrahlen der gewaltigen, modernen Bildformate an den Wänden des großen Raums, diese gesamte kompakte Farbenpracht vermochten ihr nichts, rein gar nichts anzuhaben.
    Er deutete darauf.
    »Nicht meine Bilder«, lächelte sie. »Alles Papi. Ich hab' mir die, die mir gefallen, aus seinem Depot gefischt. Und wahrscheinlich gefallen sie mir in drei Wochen nicht mehr, dann wechsle ich sie wieder aus. So ist das.«
    »Aha. So ist das.«
    »Wie war denn die Fahrt? Find' ich spitze, daß Sie hier rausgekommen sind, finde ich wirklich ganz prima. Haben Sie denn Durst?« – Alles ohne Punkt und Komma.
    Sie ging voraus. Unter dem zarten, weiten Kaftanding wirkte das Spiel der langen Beine, der Kurven und Muskeln deutlich und provozierend. Seide macht alles möglich, dachte er, und obwohl er sich noch befangener fühlte als zuvor, fühlte er auch seine Lebensgeister zurückkehren. Wie auch nicht bei diesem Anblick? Herrgott, was sollte das eigentlich? Fehlte nur noch, daß sie Musik anstellte. Kuschelmusik … Oder Rachmaninow …
    Sie hatte ihn zu der breiten, himbeerfarbenen Wildledercouch geführt, die die Stirnfront des Raums einnahm. Ein Tisch stand davor. Gläser schimmerten.
    »Ein bißchen Wein vielleicht nach der Fahrt? Roter oder Weißer? Und zum Essen steht auch was bereit. Sie brauchen es nur zu sagen.«
    O Gott, dachte er, und was noch?
    »Einen Whisky vielleicht?« brachte er heraus.
    »Aber klar doch«, lachte sie. »Das macht es mir bedeutend einfacher.«
    Sie kam mit zwei Gläsern zurück. Das ihre wirkte heller. Sie war also auf der Hut.
    »So.« Sie sah ihn über den Glasrand hinweg an und ließ sich Zeit dabei, viel Zeit. Es war nicht gerade die Art von Blick, zu der man sich Rachmaninow wünschte, er wirkte nachdenklich, obwohl nicht ablehnend, nein, ganz im Gegenteil. Er sah, daß in der grauen, ins Grüne spielenden Iris dunkelbraune Fleckchen tanzten.
    »Genau das hab' ich mir vorgestellt«, sagte sie.
    Er glaubte es nicht. Es ging ihm zu schnell.
    »Daß Sie hier sitzen.« Sie sagte es, als müsse sie irgendeinem Begriffsstutzigen Nachhilfe geben. Er war es auch, begriffsstutzig, doch er fühlte Wärme in seinem Rücken hochsteigen.
    »Jetzt werden Sie natürlich fragen, warum.«
    »Nun, Ihr Info. Sie wollen etwas Interessantes erzählen, das ist es doch, nicht wahr?«
    Sie lachte. »Ja, natürlich. Aber wissen Sie, das Leben ist keine Einbahnstraße.«
    »Aha, der Oberstaatsanwalt ist also gefragt?« Er war nicht enttäuscht, er glaubte es ihr einfach nicht, er war zu eitel dazu.
    Sie stand auf. Gegenüber der Couch, unter dem Halbrund eines breiten, von zwei Säulen getragenen Durchgangs stand eines dieser technisch durchgestylten Metalldinger von Schreibtisch, für die man in einem Designerladen wohl ein Vermögen hinblättern mußte. Darauf sah er Bücher und einen PC.
    Sie ging hin, und er folgte ihr wie von unsichtbaren Fäden gezogen. Am Schreibtisch wollte sie eine Schublade aufziehen, aber er stand nun so dicht hinter ihr, daß sich ihr Oberarm gegen seine Brust drückte und die Wärme nun mit Macht in ihm hochschoß, dieses merkwürdige und doch altbekannte Gefühl, das ihn von der Sekunde an erfaßt hatte, als sie ihm in ihrem verdammten Kaftan entgegenlächelte.
    So dicht an ihr war er, daß das Parfüm aus ihrer Haarkrone in seine Nase wehte. Er konnte einfach nicht anders, es war wie ein Reflex; er legte die Hand auf ihre Schulter, spürte das Gelenk, strich über die Seide, die wie eine zweite, lebendig knisternde Haut über ihrer warmen Glätte wirkte. Sie drehte den Kopf und sah ihn über die Schulter hinweg an, doch was er aus ihren Augen las, war alles andere als Ablehnung, es war das reine, deutliche Gegenteil.
    »Was gibt's denn hier so Interessantes? Um welche Infos handelt es sich denn?« Seine Stimme klang belegt.
    »Das wollte ich ja gerade …«
    »Gerade …? Jetzt – jetzt gibt es für mich nur eine Information, und die haut mich um: wie schön du bist …« Er hatte den leisen, heiseren Verführerton angestimmt, und das Du gehörte unweigerlich dazu, auch sie schien es für selbstverständlich zu halten.
    »Hör auf, mir Unsinn zu erzählen.«
    »Das ist kein Unsinn. Das ist eine Tatsache … Und noch etwas, Anja – als ich dich anrief, da wußte ich wirklich nicht,

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