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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er's?«
    »Wer?«
    »Na, der Mann mit dem Gewehr. Das muß ein ziemlich guter Schütze gewesen sein, auf diese Entfernung. Aber ein Profikiller war das nicht.«
    »Was dann?« fragte sie.
    »Nun, da haben wir zwei Optionen: Entweder wir haben den Rächer, der den Willen der schweigenden Mehrheit vollstrecken will – und genügend aufgebracht ist sie ja, die schweigende Mehrheit, bei dem Mediengetrommel. Es könnte sich also um einen dieser jungen Verrückten handeln, die absolut in die Zeitung kommen wollen, weil sie sonst niemand ernst nimmt … Sie brauchen ja nur an den Brandanschlag auf Ladowskys Mutter zu denken. Na, diese Typen wenigstens haben sie geschnappt.«
    »Die zweite Option, Herr Professor?«
    »Jemand aus dem persönlichen oder familiären Umfeld des Opfers. Jemand, der selbst durch den Mord getroffen wurde …«
    Sie fuhren weiter, über die Friedberger Landstraße, glitten gemächlich dahin, Reuter sah auf die Uhr: »Es ist jetzt zwei. Ich habe Hunger. Und wenn ich dort draußen als der souveräne, gelassene Verteidiger Professor Reuter auftreten will, brauche ich was im Magen. Und Sie doch sicher auch?«
    »So was wie einen Magen hab' ich gar nicht. Eher ein zusammengezurrtes Garnknäuel.«
    »Trotzdem, Isabella, nur Mut. Sehen Sie, dort drüben …«
    Er deutete mit der Hand über den Parkplatz, den er angesteuert hatte. Sie konnte eine Terrasse erkennen und ein schweres, behäbiges, schiefergedecktes, efeubewachsenes Gebäude, das den Eindruck eines Gutshauses machte.
    »Man ißt hier ausgezeichnet. Vor allem Fisch. Bodenseefische, Flußfische, Mittelmeerfische, Atlantikfische, was Sie haben wollen …«
    Sie las die Aufschrift: ›Mare nostrum.‹ Es klang bombastisch.
    Er zerteilte das schneeweiße Fleisch, schob ein Stückchen zur Seite und träufelte Zitronenbutter darüber.
    »Ich rede nun mal lieber in einem Restaurant statt in einem Auto. Und ich muß mit Ihnen reden, Isabella. Wie ist's, schmeckt es?«
    Sie stocherte lustlos in ihren Meeresfrüchten.
    »Etwas anderes vielleicht? Die haben hier …«
    Sie schüttelte in Panik den Kopf: »Nein, nein, bloß nicht.«
    »Der Eröffnungstermin der Hauptverhandlung ist der achtundzwanzigste. Ein Wahnsinn natürlich. Soweit ich mich erinnere, wurde in Frankfurt in den letzten drei oder vier Jahren nie ein Verfahren mit solcher Brachialgewalt durchgeboxt. Höchstens noch der Kuppers-Fall, dieser Kunstraub. Aber gut, das war was anderes, da lagen die Karten klar, die hatten ihren Deal gemacht, und auch die Verteidigung hatte Interesse daran, die Geschichte so rasch wie möglich hinter sich zu bekommen. – Aber das hier?«
    Er betupfte sich den Mund mit der Serviette. »Martin, der Vorsitzende, ist nicht übel; er ist ziemlich fair. Ein guter Richter, wirklich. Aber hier hat er sich anscheinend anstecken lassen, oder er bekam Druck von oben. Und wenn er so weitermacht, wird er uns so viele Fehler liefern, daß wir schon damit das ganze Verfahren aushebeln können … Das Beste ist, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, Leine geben. Die schlimme Seite an der Geschichte: Wenn dem Gutachterantrag zugestimmt wird, und das muß Martin wohl, nachdem er seinen eigenen Gutachter benannt hat, haben wir noch genau sechzehn Tage Zeit für Ihr Gutachten.«
    »Und noch keine vernünftige Anamnese«, entgegnete sie bitter.
    Er nickte. Sein Lächeln verschwand. »Auch ich brauche ein paar Argumente, ehe es losgeht, handfeste, nachvollziehbare und vor allem einleuchtende – zumindest für die Geschworenen. Also nochmals, weil's so schön ist: Wie schätzen Sie ihn ein? Wie sagten Sie das letztemal? Ladowskys Verhalten gehöre zum hysterischen Formenkreis …«

»Es tritt bei Menschen auf, die sich, meist aus schweren narzißtischen Kränkungen während ihrer Kindheit, also aus Schockerlebnissen, ihre eigene Welt, an die sie sich halten, aufgebaut haben, und damit auch die eigenen Spielregeln und Normen. Sie können die Welt der anderen nicht erobern, sie nicht verstehen und daher in ihr nicht mal eine Position für sich finden, weil sie sich zu unsicher und zu schwach fühlen, also bauen sie sich ihre eigene. In ihr sind sie Könige, auch Könige der Gewalt. Und dieses Omnipotenzgefühl bricht sich in Krisensituationen mit einer solchen Macht Bahn, daß nichts sie aufhält. Die allgemeinen Regeln werden nicht akzeptiert.«
    »Ihr Richard Saynfeldt wird da …«
    Sie hob drohend die Gabel: »Sagen Sie das niemals wieder.«
    »Na gut, Oberstaatsanwalt Saynfeldt

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