Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
bläst.
Indes der lachfreudige Mylord und der dünkelhafte Ballmeister weiter über Spielbälle schwatzten und Monsieur de Nançay ihnen sein Ohr lieh – zu leihen schien, denn in Gedanken war er, wie ich wetten will, meilenweit entfernt –, hatte ich Muße genug, den Gardehauptmann zu betrachten, während der Bediente ihm aus Leibeskräften die Haut rieb. Er war von ziemlich hohem Wuchs, die Schultern breit, die Arme schlank und muskelstark, keine Unze Fett auf dem Leib, die Beine lang und kraftvoll, kantig das sonnengebräunte Gesicht, die Naseleicht gebogen, eine Narbe nahe der fleischigen Unterlippe, das Haar – wie ich wohl schon vermeldet – nur leicht ergraut, die Augenbrauen hingegen ganz schwarz und dicht, was ihm, selbst wenn er ruhte, ein etwas grimmiges Aussehen verlieh, welches jedoch Lügen gestraft ward von seinen grauen Augen, die verschmitzt, ironisch als auch recht gütig blickten und voller Zweifel schienen gegen alles, was die Menschen gemeiniglich zu glauben pflegen. Seine Aufführung schließlich war selbstsicher, doch zurückhaltend, höflich seine Manieren und elegant seine Sprache. Und über all dem eine gewisse Glätte, die mich an einen Kieselstein denken ließ, dessen Glätte daher rührt, daß er sich an so vielen anderen Kieseln am Hofe gerieben, nicht ohne daß es ihm unter diesem so gefälligen Äußeren an einiger Härte – gewißlich nicht im Herzen, sondern in Stand und Stellung – gefehlt hätte.
Gefolgt von dem Ballmeister und dessen Gehilfen, begab sich schließlich der Mylord prustend und lachend hinweg, das Gemach nicht nur von seiner Leibesfülle, sondern auch von seinem ständigen Gelärm befreiend, indes Rabastens seinem Hauptmann vermeldete, wer ich sei, worauf er uns seiner Fechtübungen wegen sogleich verließ.
»Was! Ein Siorac!« rief Monsieur de Nançay aus, indem er mich herzlich umarmte. »Welche Freude, hier einen Sohn des Barons von Mespech leibhaftig vor mir zu sehen! Denn wenn ein Baron diesen seinen Titel verdient hat, so ist es Euer Herr Vater, welcher so trefflich gefochten, als wir Calais von den Engländern zurückeroberten. Doch potz Blitz! ich kann den Namen Calais nicht aussprechen, ohne daß mir das Herz anfängt zu klopfen! Ohne daß ich mich der Kühnheit unserer vortrefflichen Hauptleute erinnere, als wir gegen seine Mauern anrannten! Der Herzog von Guise! D’Aumale! D’Andelot! Thermes! Bourdin! Senarpont! Wie viele weilen schon nicht mehr unter den Lebenden! Und wie herrlich klingen diese Namen noch in meiner Erinnerung! Keiner aber hat einen so hehren Klang wie der Name Siorac! Potz Blitz! ich war an seiner Seite, als wir, bis zum Halse im eiskalten Wasser, den Wallgraben durchquerten, die Festung zu erstürmen, in deren Mauer unsere Kanonen eine Bresche geschossen! Und obwohl er vor Kälte zitterte wie wir alle, verließ ihn seine Schalkhaftigkeit nicht! Ja, Ihr habt recht gehört, noch im Angesicht höchsterGefahr war er voller Witz und Scherz, dieser treffliche Gefährte. Ein Löwe im Kampf, eine Taube im Frieden! Nachdem die Stadt eingenommen, ließ er nicht zu, daß seine Soldaten die Besiegten niedermachten oder den Weibern Gewalt antaten, so milde und großherzig war er! Doch«, setzte Nançay hinzu, indem er mich nochmals umarmte und mir die Hände auf die Schultern legte, mich besser zu betrachten, »wie ähnlich Ihr ihm seid! Ich vermeine ihn vor mir zu sehen! Ihr habt seine lustigen blauen Augen, seine Gesichtszüge, seine Gestalt, seine aufrechte Haltung und jene schier unersättliche Lust nach Leben und Liebe, welche auch von ihm ausging. Mein Sohn, oh, sagt mir nicht, Siorac sei jetzt grau vor Alter, griesgrämig und voller Trübsal! Ich würde es nicht glauben!«
»Hauptmann«, entgegnete ich, »er ist fast noch so munter und voller Kraft wie Ihr selbst, obgleich er zehn Jahre mehr zählt denn Ihr.«
»Und läuft er immer noch einem jeden Weiberrock nach?« fragte Nançay mit einem Aufblitzen seiner Augen.
»Ei gewiß.«
»Und ist er wohlhabend?«
»Er ist reich begütert!«
»Was man nicht denken würde beim Anblick Eures Wamses!« entgegnete Monsieur de Nançay lachend, und obgleich seine Bemerkung mich gar sehr verdroß, ließ ich mir nichts anmerken und lachte ebenfalls. »Heiliger Himmel!« fuhr er fort, »ein Wams nach alter Mode, und – was noch schlimmer ist – geflickt! Im Louvre! Am Hofe! Sapperment! Wenn wir in Wuchs und Schulterbreite gleich wären, so würde ich Euch eines der meinigen borgen!«
Und
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