Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
nein.«
    »Was!« sprach der Mann mit weit aufgerissenen Augen, »Ihr flucht auch gar! Dabei hat man mir gerade wegen meiner Flüche und Gotteslästerungen (welche verdammenswerte Angewohnheit ich nicht ablegen kann) die Lippen geschlitzt! Oh, ich Armer! Geldstrafe, Pranger, geschlitzte Lippen! Nichts hat geholfen! Ich fluche noch immer wie ein Kesselflicker!«
    »Oder«, sprach ich ganz leise, »wie Frankreichs König beim Ballschlagen.«
    »Gnädigster Herr«, sprach der Mann weiter, ohne mich gehört zu haben, »als Ihr mich so barsch anspracht, hatte ich gerade einen gotteslästerlichen Fluch ausgestoßen, weil ich den Fuß aus Unachtsamkeit in den Straßenkot gesetzt. So daß ich mutmaßte, Ihr hättet mich gehört und wolltet mich ohne Verzug anzeigen.«
    »Und was hätte man diesmal getan mit dir?«
    »Man hätte mir die Zunge abgeschnitten.«
    »Ho!« sprach ich, »welch grausame Roheit! Glaubt der Richter gottgefällig zu sein, wenn er so unbarmherzig ist? Und warum sollte ich dich anzeigen, Geselle?«
    »Um den Dritteil des Bußgeldes zu bekommen.«
    »Und an wen gehen die anderen beiden Dritteile?«
    »An die Geistlichkeit und an den König.«
    »An den König!« sprach ich, »welch wundersame Gerechtigkeit, welch schöne Gleichheit! Geselle«, fuhr ich fort, ihm einen Sol in die Hand drückend, »hab Dank für deine Begleitung. Geh hin in Frieden, und Gottsblitz, wie man im Louvre sagt, fluche nicht mehr! Dafür bist du von zu niedrigem Stande.«
    Diese Begegnung hatte mein Gemüt wieder ein wenig aufgeheitert, und noch mehr tat dies der Anblick der Badestuben, welche gar schön und sauber anzusehen waren, der Estrich gescheuert, die Wände bis in Höhe des Kopfes mit schönen blauweißen Kacheln besetzt sowie hier und da Pflanzen und Blumen, das Auge zu erfreuen.
    Die Baderin war ein großes, dickes Frauenzimmer, deren Arme so stark waren wie ihre Schenkel, welche mir vorkamen wie die Stämme von hundertjährigen Eichen. Die aus dem Schnürmieder herausquellenden riesigen Brüste reichten ihr fast bis unter die Nase, was sie zwang, den Kopf stark nach hinten geneigt zu tragen. Aus dem dicken, aufgedunsenen Gesicht blickten die Augen wie durch zwei Schlitze, schmaler denn die Schießscharten in einer Festungsmauer, auf den Badgast, den sie, hinter einer Art Ladentisch sitzend, belauerte wie eine Katze die Maus. Ich bemerkte, daß ihr Atem beim Sprechen schwer und unregelmäßig ging, aus welchen Anzeichen ich sogleich schloß, daß der tägliche Aufenthalt in den Dämpfen der Bäder das Gleichmaß ihres Herzschlages gestört hatte.
    »Lieber und edeler Herr«, sprach sie mit einer so dünnen und keuchenden Stimme, daß es den Eindruck machte, als könne diese sich nur mit Mühe einen Weg durch ihren fetten und massigen Leib bahnen, »wollet Ihr ein Schwitz- oder ein Wasserbad nehmen?«
    »Das hängt«, so erwiderte ich, »von Euerm Preis ab.«
    »Zwei Sols für ein Schwitzbad, vier für ein Wasserbad. Für ein Bad in separater Kammer fünf Sols. Für ein Trockentuch und ein Zubertuch je zwei Heller.«
    »Ein Zubertuch?« fragte ich, verwundert darüber, wozu dieses wohl dienen möchte.
    »Es wird auf den Boden des Zubers gelegt, Monsieur, Euern Hintern vor den Rauheiten des Holzes zu schützen. Wünschet Ihr eines?«
    »Gewiß, sowie auch ein Trockentuch und eine separate Kammer.«
    »Mein edeler Herr«, fragte die Baderin mit einem kurzen Aufblitzen ihrer Augen, »die Kammer mit einem Bett?«
    »Mit Bett.«
    »Das macht einen weiteren Sol. Gedenket Ihr die Nacht über zu bleiben, mein edeler Herr?«
    »Ich denke wohl.«
    »Noch einen Sol. Wünschet Ihr, daß Euch die Haare vom Leib geschoren werden?«
    »Aber ja.«
    »Zwei Sols.«
    »Hoho, Gevatterin!« rief ich, »welch gepfefferte Rechnung!«
    »Keineswegs!« erwiderte sie, wobei ihr Gesicht sich vor Empörung rötete und ihre Brust sich hob, so daß sie den Kopf noch weiter nach hinten nehmen mußte. »Das sind ehrliche Preise, festgelegt von der Obrigkeit und angeschrieben an der Wand dort. Wir dürfen sie nur dann erhöhen, wenn Holz und Kohle zu Paris knapp werden. Hoher Herr, ich bitte Euch, zahlet im voraus. Es sind neun Sols und vier Heller.«
    Ich erleichterte meinen Säckel um die geforderte Summe, und nachdem die Baderin mit ihrer dünnen Stimme aus vollem Halse »Babeau! Babeau!« gerufen, erschien eine Badmagd, dunkelhaarig, kurz gekleidet, mit bloßen Füßen und Armen, welche so angenehm rot und rund waren, daß es einen schier gelüstete

Weitere Kostenlose Bücher