Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
wiewohl er lachte, sah ich doch, daß er die Sache ernst nahm und sich Sorgen machte um mich. Von Calais und meinem Vater hatte er als Soldat gesprochen. Doch von meinem Wams sprach er jetzt als Mann des Hofes. Und wollte mir in seiner Besorgnis sogleich die Wohnung seines Schneiders nennen, damit ich mein unschickliches Aussehen ungesäumt aufbessern lassen könne. Wohl oder übel mußte ich ihm nun eingestehen, daß mein Vater mich nicht mit so viel Geld versehen, daß ich eine solche Ausgabe zu bestreiten vermöchte.
»Ha!« rief er aus, »Siorac geht noch immer so sparsam mit seinem Golde um! Und ist, wette ich, Hugenott wie eh und je.«
»Darin ist er unerschütterlich.«
»Gleichwohl«, entgegnete Monsieur de Nançay, »wage ich zu sagen, daß er hier leider irrt. Ein Hauptmann sollte die Angelegenheiten der Religion den Geistlichen überlassen. Die unsere weist zwar, wenn man es recht bedenkt, nicht wenige Vernunftwidrigkeiten auf, doch die muß man eben mit dem übrigen schlucken. Was mich betrifft, so höre ich des Sonntags die Messe, ohne mit den Gedanken dabeizusein, und gehe einmal im Jahr zum heiligen Abendmahl. Damit gibt sich die Welt zufrieden. ›Nur wer die Dinge einfach nimmt, lebt glücklich‹, sagt Ronsard.«
›Und wer die Gunst des Königs genießt‹, fügte ich in meinem Inneren hinzu, denn weder Ronsard noch Monsieur de Nançay haben ihrer jemals ermangelt, heulte doch der große Poet wacker mit den Wölfen, wenn es galt, die Reformierten zu verdammen. Nachdem ich aber diese Rede des Hauptmannes vernommen, wollte ich mit ihm über die Religion meines Vaters, welcher auch ich weiter anzuhängen gedachte (wenn gleich ohne jeden Eifer), nicht streiten und schwieg also. Da nun der Hauptmann dies gewahrte, indes seine grauen Augen schlau und verständig blickten, fragte er mich nach meinem Anliegen. Ich berichtete ihm getreulich von meinem Duell, dem Prozeß, welchen man mir machte, und daß ich gekommen sei, die Gnade des Königs zu erflehen.
»Nun, daß Ihr bei Hofe vorgelassen werdet, dafür will ich gern Sorge tragen. Und von Euerm Duell werde ich in meiner Umgebung sprechen, damit der König es erfährt und für Euch eingenommen wird. Doch dies wird nicht genügen. Ihr müßt dem König vorgestellt werden. Und wiewohl er in Kleidungsfragen weniger heikel ist als der Herzog von Anjou, ist es undenkbar, daß ich Euch ihn in Eurer gegenwärtigen Aufmachung vorstelle. Alles steht und fällt also mit Euerm Wamse und dem Geld, welches Ihr braucht, Euch ein neues verfertigen zu lassen.«
»Doch wer«, so fragte ich, »würde mir dies Geld leihen und gegen welche Sicherheiten, da ich nur Zweitgeborener bin?«
»Ich«, entgegnete Monsieur de Nançay, welcher sogleich fortfuhr: »… wenn ich nicht bis zum Halse in Schulden steckte, da ich am Louvre weit über meine Verhältnisse lebe; wird mir doch mein Sold als Gardehauptmann nur gezahlt,wenn die Kassen des Königs gefüllt sind, was soviel heißt wie nie. Ha! Monsieur de Siorac«, setzte er hinzu, sich seinen langen dünnen Knebelbart glättend, »was Euch in dieser mißlichen Lage retten könnte, wäre, daß eine unserer galanten und großherzigen Damen Euch auf ihre Kosten neu ausstaffieren läßt, wie das etliche für die Galane tun, mit welchen sie ihre Annehmlichkeiten haben. Doch das ist ja gerade das Verteufelte: wie wolltet Ihr Euch, so wie Ihr gekleidet seid, einer dieser schönen und prachtvollen Damen auch nur nähern?«
Oh, Leser! wie schmerzte mich diese Rede in meinem Herzen, mich, der ich ganz verzweifelt war bei dem Gedanken, wie ich am folgenden Tage Madame des Tourelles unter die Augen treten sollte, welche mir – wie man sich vielleicht erinnern wird – aufgetragen, ich solle mich neu ausstaffieren und mir die Haare abscheren lassen, wobei das zweite Gebot gewißlich leichter auszuführen war als das erste. Ei, sagte ich mir, mich über meinen Gram lustig machend, könnte nicht eine gute Fee mit ihrem Zauberstab mein abgeschorenes Haar in prächtige Kleidung verwandeln? Ach, wie wenig gilt einer bei Hofe ohne die rechten Kleider! Adel, Verdienst, Wissen – nichts zählt als der äußere Schein! Wer nicht scheint, der gilt nichts!
Indes ich also über meine mißliche, erniedrigende Lage nachsann und meine Gemütsstimmung recht gallig war, trat, ohne anzuklopfen, ein Edelmann ein, welcher meines Alters war, meiner Größe, ja sogar fast meines Aussehens, außer daß er schöner von Angesicht war denn ich, bekleidet mit
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