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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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hochberühmte Ambroise Paré und der hochgelehrte Ramus, ohne Zweifel der größte Philosoph und Mathematiker des ganzen Königreiches«.
    Das Herz hüpfte mir vor Freude über diese Einladung, und ich rief laut aus: »Oh, der gute l’Etoile!« Worauf ich sogleichging, an die Tür meiner Brüder zu klopfen und ihnen zu sagen, sie sollten sich ohne mich in Guillaume Gautiers Speisewirtschaft in der Rue de la Truanderie begeben.
    Giacomi war gerade dabei, sich das Gesicht in dem bereits beschriebenen Schüsselchen zu waschen, indes mein schöner Samson in seiner natürlichen Nacktheit halb wach und halb noch träumend, jedoch mit trauriger Miene auf seiner Bettstatt lag.
    »Ach, mein viellieber Bruder«, sprach er, nachdem er sich erhoben, mich zu umarmen, »wie wenig Freude bringt es mir, mit Euch in diesem Paris zu weilen, welches ich so wenig liebe. Ich bekomme Euch kaum zu Gesicht! Gestern abend mußten wir ohne Euch speisen, diese Nacht verbrachtet Ihr in den Badestuben, heute zur elften Stunde werdet Ihr bei dem Herrn Audienzrat sein, und für den Abend hat Euch die Baronin des Tourelles zu Tisch geladen. Versprecht mir wenigstens, mein Pierre, die Nacht über bei ihr zu bleiben, damit Ihr Euch in der Dunkelheit nicht den Gefahren der Straße aussetzet.«
    Bei diesen Worten wandte sich Giacomi um und lächelte mich vielsagend an, denn er hatte wohl verstanden, daß mein schöner Bruder sich nichts Arges bei dieser seiner Empfehlung gedacht hatte.
    »Samson, das verspreche ich Euch, soweit dies von mir abhängt«, sagte ich, dabei Giacomis Lächeln erwidernd. »Doch ansonsten, Samson, müßt Ihr die Dinge mit mehr Geduld nehmen. Wir sind hier nicht auf Mespech, wo wir Tag und Nacht zusammen verbrachten, ohne uns je zu trennen. In Paris warten so viele Angelegenheiten und Verpflichtungen auf mich, daß unsere Wege nicht immer die gleichen sein können.«
    »Ei, mein Herr Bruder«, sprach da Samson und fuhr sich mit den Fingern seiner Linken durch die kupferfarbenen Locken, »wenn dem so ist, dann hättet Ihr mich in Montfort-l’Amaury in Meister Béquerets Apotheke lassen sollen. In Ausübung meines Handwerkes hätte ich dann auch noch einiges Geld verdient, anstatt als Müßiggänger hier in diesem modernen Babylon welches auszugeben. Für die Erlangung der königlichen Gnade ist Euch meine Gegenwart wohl kaum von Nutzen, und ich selbst finde keine Annehmlichkeit in meinem Aufenthalt in diesem schmutzigen und verderbten Paris, wo unverschämter Reichtum und Unzucht eng beieinander wohnen und wo die Bürger und Mitwohner, blind für die reine Wahrheit der HeiligenSchrift, Götzen von Stein verehren, die man durch die Gassen trägt! Oh, mein Bruder, so wie Lot strebe ich nach nichts anderem, als dieses schändliche Sodom auf das schnellste zu verlassen, ehe es Gott der Herr in seinem Zorne heimsucht und ob seiner Missetaten mit Feuer und Schwefel austilgt …«
    Nach welcher Rede er sich umwandte, sich seinerseits in dem winzigen Schüsselchen zu waschen, indes ich Betroffenheit fühlte ob dieser düsteren Worte, welche die Zerstörung der Hauptstadt als sicher, ja fast als wünschenswert erscheinen ließen. O du mein sanfter Bruder, dachte ich, wie kannst du in deinem blinden Eifer nur so grausame Gedanken in deinem Sinn beherbergen? Was weißt du schon von der Welt, der du selbst blind bist? Bildest du dir ein, Montpellier sei weniger verderbt denn Paris, nur weil es kleiner ist? Und erinnerst du dich nicht, daß auch Lot, der Gerechte, dem du gleich zu werden strebst, weder dem Wein noch dem unzüchtigen Begehren seiner Töchter widerstand?
    Indes Giacomi seine Kleider anlegte und Samson sich wusch, ließ ich mich nachdenklich auf einen Schemel nieder, erstaunt ob des blinden Zorns meines sanften Bruders, doch nicht ohne Bewunderung für seinen weißen Leib, welcher so glatt und so wenig behaart war, daß es Babette keine Mühe gekostet hätte, ihn mit der herrschenden Mode in Einklang zu bringen. Da ich ihn also betrachtete, kamen mir Zweifel, ob eine dichte Behaarung – wie man gemeiniglich annimmt – wirklich ein Zeichen männlicher Kraft sei, welchselbige Samson durchaus besaß, ohne sich der ersteren rühmen zu können. Ihm hätte Delila in ihrem heimtückischen Unterfangen nur wenig abscheren können, denn auch das dichte und lockige Haupthaar trug er sehr kurz. Aber trotz dieser schönen, gleichsam frauenhaften Glattheit seines Leibes traten die Muskeln überall hervor, eingebettet in die gefällige

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