Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
der andere hören, »Calais! Jetzt, da Ihr Calais nennt, erinnere ich mich wohl, daß Nançay mir gestern von dessen Sohn hier und von seinem geflickten Wams gesprochen.«
Worauf ich über und über darob errötete, auf solche Weise den königlichen Bedienten im ganzen Louvre bekannt zu sein.
»Monsieur«, sprach da der sitzende Edelmann, welcher meine große Beschämtheit gewahrte, »nehmt diese Worte nicht als Beleidigung: ich beurteile die Leute nicht nach ihrer Kleidung. Von Monsieur de Nançay weiß ich, daß Euer Vater ein überaus mutiger Mann ist und Ihr ihm an Tapferkeit und Starkmütigkeit nicht nachstehen wollet.«
»Doch wenn ich Euch raten darf, Monsieur«, fuhr der Edelmann, welcher trotz der drückenden Hitze den vorgemeldten roten Umhang trug, mit ernster Miene fort, »dann geratet nicht gleich in Harnisch, wenn hier am Hofe einige Edelleute, welche – wie zu Paris üblich – der Spottlust gar sehr zugetan sind, über Euer Wams lächeln. Denn weder der König noch sein Bruder, der Herzog von Anjou, dulden auch nur den kleinsten Streit. Ein solcher wäre im Louvre, in nächster Nähe ihrer Hoheiten, ein kapitales Verbrechen.«
»Monsieur«, erwiderte ich mit einer Verbeugung, »ich werde mich befleißigen, Euerm Rate zu folgen.«
Also ward ich eingelassen, nachdem ich meinen Bruder Samson, Maestro Giacomi und meinen Diener als zu meinem Gefolge gehörig benannt hatte, welch letzterer, als ich den Louvre-Hof überquerte, mir völlig aus den Augen geriet, so daß ich vor dem Eintreten in das Louvre-Schloß eine kurze Zeit verweilte, die Augen nach allen Seiten wendete, vor Ungeduld fast in Zorn geriet und mit dem Fuß auf das Pflaster stampfte. Doch kam ich nicht dazu, den Mund zu öffnen, als Miroul, so unvermittelt, wie er verschwunden, wieder an meiner Seite auftauchte und auf okzitanisch, aber mit so flinker Zunge wie ein Pariser Gassenjunge, zu mir sprach:
»Mein edeler Moussu, ich bitt Euch, scheltet mich nicht. Wenn ich mich entfernt habe, dann nur, Euch einen Dienst zu erweisen: ich habe einen Fußsoldaten, welcher mir aus unseren Provinzen zu stammen schien, befragt, wer die beiden Edelleute an der Pforte seien.«
»Und hast du es erfahren, Miroul?«
»Gewißlich, Moussu«, gab Miroul zur Antwort, wonach er erwartungsvoll schwieg und nur sein braunes Auge fröhlich blickte.
»Nun, so sprich!« sagte ich.
»Ich weiß nicht recht, Moussu«, entgegnete Miroul mit schalkhaft blitzenden Augen, »war es recht, daß ich Euch verlassen? Von fern sah ich Euch mit finsterer Miene, voller Grimm auf mich dastehen.«
»Miroul, mach dich nicht lustig! Sprich!«
»Oh, Moussu! ich sehe wohl, Ihr seid noch ganz erzürnt!«
»Ich werde es gleich sein, wenn du nicht ungesäumt sprichst.«
»Wie, Herr! Solltet Ihr etwa ärgerlich sein auf mich, der ich mich so gemüht um nützliche Kunde?«
»Oh, Miroul!« sprach ich da, nunmehr willens, die Sache von der heiteren Seite zu nehmen, »wie teuer läßt du mich für einen finsteren Blick zahlen! Wie schlecht wäre ich beraten gewesen, hätte ich dich gescholten!«
»Moussu«, fragte er nun, ebenfalls heiter, »gelüstet es Euch zu erfahren, was ich erfahren?«
»Habe ich dich nicht schon zweimal darum gebeten?«
»Gebeten, Moussu? Habt ihr mich gebeten?
Brevis oratio penetrat caelos.
1 Doch jetzt genug gescherzt!« fuhr er fort, da er meine Züge sich wieder verfinstern sah. »Ich fürchte, so ich noch länger Mutwillen triebe, würde ich Eure Geduld ermüden.«
»Meine arme Geduld!«
»So höret denn, Moussu: der Edelmann, welcher an der Pforte saß, seinen Schmerbauch mit den Knien zu stützen, ist Monsieur de Rambouillet, ein Gefolgsmann des Königs. Der große Dünne, welcher auf seinen langen Beinen, die Hand in der Hüfte, die Haut gebräunt, großtuerisch danebenstand, istMonsieur de Montesquiou. Er ist Gardehauptmann des Herzogs von Anjou, aus welcher Ursache er – selbst im August – jenen roten Umhang trägt.«
»Wie, Montesquiou!« sprach ich mit leiser Stimme. »Der Mörder Condés! Sein Blick gefällt mir gar nicht!«
»Mir gefällt er nicht schlecht«, entgegnete Miroul. »So großtuerisch er auch sei, sein Blick scheint mir frei und offen. Und seine Mahnung bezüglich der Ehrenhändel hat mir wohl gefallen.«
Und da ich gedankenvoll schwieg, denn der Name Montesquiou hatte mir unsere Niederlage zu Jarnac und Moncontour greifbar vor Augen geführt, hub Miroul wieder an:
»Moussu, wünschet Ihr zu wissen, aus welcher Ursache die
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