Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
ihrer Herren über dem Arm trugen, mutmaßte ich sogleich, daß er dort für mich eine ganze Tracht von Neuigkeiten zusammentragen würde, welche er in der Tat, nachdem er so flink, wie die Honigbiene fliegt, zu mir zurückgekehrt, sogleich vor mir ausbreitete.
»Moussu«, sprach er mit gedämpfter Stimme, »gelüstet es Euch, den großen Silvie kennenzulernen?«
»Ich weiß gar nicht, wer Silvie ist.«
»Ein Italiener, Fechtmeister des Herzogs von Anjou und bekannt als der beste Fechter des Königreiches, obgleich der König ihm Pompée vorzieht.«
»Und wer ist Pompée?«
»Ein Italiener.«
»Potz Blitz! Gibt es denn keine Franzosen dieses Standes?«
»Doch, doch: Carré, welcher den Prinzen von Navarra die Fechtkunst gelehrt. Und Rabastens.«
»Und wen erachtest du als den besten von allen?« sprach ich zu ihm, wohl wissend, daß ihm diese Frage schmeicheln würde, denn Miroul war ganz vernarrt in diese edele Kunst, in welcher er unter Giacomi rechte Fortschritte gemacht hatte.
»Oh, Moussu!« antwortete er, seine Stimme noch mehr senkend, »nach meinem Herzen ist es Maestro Giacomi, doch nach meinen Augen zu urteilen, ist es Silvie.«
»Und wie sieht der aus?«
»Wie eine Hopfenstange und so dünn, daß man meint, er würde gleich zerbrechen. Doch er zerbricht nicht, denn er ist wie seine Klinge von wohlgehärtetem Stahl.«
Worüber ich lachte voller Wohlgefallen an der Art, in welchersich mein wackerer Miroul auszudrücken pflegte, sei es in Französisch, Okzitanisch oder Latein, wobei letzteres ja nur aus einigen Perlen bestand, mit denen er seine Rede artig zu schmücken wußte.
»Also auf!« sprach ich, »ich möchte diesen großen Künstler
pingere cum gladio
sehen.«
» Pingere cum gladio?
was bedeutet das?«
»Mit dem Degen malen.«
Und indes Miroul die ganze Zeit schwieg, da wir uns durch die Menge drängten, an das Ende der Galerie zu gelangen, wo der große Silvie focht, bemerkte ich an den Bewegungen seiner Lippen, daß er diese Wendung mehrmals wiederholte, ehe er sie in der Schatzkammer seines Gedächtnisses verschloß.
Gewißlich hätte ich diesen wunderbarlichen Fechtmeister Silvie, welcher vielleicht der geschickteste im ganzen Königreich war, gebührend bewundert, wenn mein Blick nicht unversehens auf den Edelmann gefallen wäre, mit dem er die Klinge kreuzte. Sapperment, wie begann mir bei seinem Anblick das Blut in den Adern zu kochen! Die Nägel in die Handflächen gepreßt, erstickte ich schier an dem ungeheuren Zorn, welcher in mir aufstieg und mich zittern machte wie Herbstlaub im Wind. Denn derjenige, den ich da ganz nah vor mir in seinem bestickten Seidenhemd sah, behend und geschmeidig wie ein junger Hirsch im Wald, war kein anderer als der eitle Laffe, welcher des Tags zuvor in einer Kammer des Ballhauses, worinnen sich Monsieur de Nançay von einem Bedienten abreiben ließ, mich mit seinen frechen und verächtlichen Blicken so gedemütigt hatte! Potz Blitz! Der alte Zorn stieg mit erneuter Heftigkeit wieder in mir hoch, so daß ich – wie schon vermeldet – von Kopf bis Fuß zitterte und von einer Bitterkeit erfaßt ward, welche um so stärker an mir fraß, da ich den aufgeblasenen Gecken zwar aus Leibeskräften haßte, ihn aber gleichzeitig bewundern mußte ob seiner wohlgestalten Erscheinung, der Behendigkeit seiner Bewegungen und seiner Kunstfertigkeit in der Führung des Degens. Gesteigert ward mein Grimm noch dadurch, daß dieser Stutzer zu allem Überfluß in seinem Alter, seiner Größe, seiner äußeren Erscheinung, der Farbe des Haares und der Augen mir ähnlich war bis hin zu der schier unersättlichen Lebensgier, welche sich auf seinen Zügen malte, die allerdings von größerer Schönheit waren alsdie meinigen. Und eine solche Ähnlichkeit mußte die Dinge natürlich nur noch verschlimmern. Denn, lieber Leser, stelle dir vor: du erblickst in einem Spiegel deine irdische Erscheinung in höchster Vollkommenheit, und dieses so vollkommene Wesen, anstatt dir wie ein Bruder zuzulächeln, betrachtet dich mit unendlicher Verachtung; dann wirst du Ursache, Wurzel und Ausmaß meiner Bitternis besser verstehen.
Indes wußte der eingebildete Kavalier nicht nur herrlich zu fechten, seine Kraft und Kunstfertigkeit unter ungezwungener Anmut verbergend, sondern wechselte dabei, das Auge unentwegt auf die wirbelnde Klinge des großen Silvie gerichtet, auch noch witzige Worte mit zwei in meiner Nähe stehenden Edelleuten, aus deren Aufführung und Blicken eine so innige
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