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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Freundschaft zu ihm sprach, daß es ganz wunderbarlich anzusehen war. Der ältere dieser beiden Herren mochte auf das vierzigste Jahr seines Alters zugehen, hatte feine, edele Gesichtszüge, kluge, lebendige Augen, war von kräftiger Leibesstatur, jedoch ohne Bauch, und trug Kleider von hellem Braun mit gelb unterfütterten Schlitzen, also gleichsam in zwei Tönen der gleichen Farbe, indes die Tracht des jüngeren Begleiters in so vielen bunten Farben erglänzte wie eine blühende Wiese im Mai. Dieser schien mir noch keine zwanzig Jahre alt und so strahlend schön von Angesicht, wie ich, ausgenommen meinen lieben Samson, vorher noch keinen gesehen.
    »Moussu«, sprach da Miroul, welcher meinen Blicken aufmerksam gefolgt war, »begehret Ihr Stand und Herkommen dieser schönen Edelmänner zu wissen?«
    »Ja, auch und vor allem Stand und Herkommen desjenigen, welcher mit Silvie die Klinge kreuzt.«
    »Ich verstehe wohl«, erwiderte Miroul. »Nach Euern Blicken zu urteilen, deucht mich, daß Ihr ihn nicht besonders mögt.«
    Und sogleich war er flink und behende in der Menge verschwunden wie ein Aal im Fluß zwischen den Felssteinen.
    »Mein Bruder«, sprach Samson mit glänzenden Augen, »die Gewandtheit jenes Edelmannes dort steht seiner Schönheit um nichts nach. Er handhabt den Degen fast so vortrefflich wie sein Fechtmeister.«
    »Gäbe Gott«, murmelte ich mit zusammengepreßten Zähnen, »daß er so sanftmütig wäre wie schön von Angesicht.«
    Die beiden Fechter führten ihre Degen so behende, so gewandt und kunstreich – ihre Klingen folgten einander so eng, als erriete die eine immer sogleich, welchen Stoß die andere führen werde –, daß ich an ihrem Kampf lebhaften Anteil nahm und sich der Grimm, welchen die Erinnerung an die beleidigenden Blicke wieder in mir geweckt hatte, zu besänftigen begann.
    »Moussu«, sprach da mit leiser Stimme Miroul, unversehens neben mir auftauchend wie der Teufel aus dem Erdboden, »der Grauhaarige im hellbraunen Wams ist der Marquis d’O. Im ganzen Königreich ist kein Edelmann, welcher einen kürzeren Namen hätte noch, wie ich habe sagen hören, einen längeren Arm.«
    »Und der Jüngling, auf dessen Schulter er seine Rechte gelegt hat?«
    »Dieses Schöngesicht ist Monsieur de Maugiron, Zweitgeborener aus einer vornehmen Familie. Und der
tertium quid
, nämlich der dünkelhafte Stutzer, welchen Ihr gar wenig mögt, trägt den Namen Quéribus. Trotz seines jungen Alters ist er Baron. Alle drei sind Gefolgsleute des Herzogs von Anjou, diesem ergeben bis in den Tod und noch darüber hinaus, so daß sie ihre Seele für ihn verkaufen würden, wenn sie eine hätten.«
    »Hat dir das ein Bedienter gesagt, Miroul?« fragte ich mit einigem Zweifel.
    »Ja, und er sagte es auf eine viel unmanierlichere Art. Ich bin nicht sicher, ob es die Wahrheit ist. Er steht bei einem Edelmann des Königs in Diensten, und zwischen dem Haus des Herzogs und dem seines Bruders, des Königs, scheint die Liebe weder groß noch brüderlich zu sein.«
    In diesem Augenblick trat der große Silvie, welcher hochgewachsen und fast so dünn war wie sein Degen, also dem Auge so wenig Umfänglichkeit und körperliche Substanz bot, daß man sich fragte, wie eine Degenspitze ihn jemals zu treffen vermöchte, einen Schritt zurück (was er beim Fechten niemals tat), richtete sich in seiner ganzen beeindruckenden Größe auf und erwies dem Baron von Quéribus eine Ehrbezeugung auf italienische Art, dergestalt andeutend, daß die Lektion, falls dieses Wort hier angebracht war, zu Ende sei. Worauf Quéribus eine Ehrbezeugung gleicher Art vollführte, jedoch nicht so weit ausholend, denn dazu fehlte ihm die Armeslänge und Leibesgrößedes Maestro. Sogleich eilte ein Diener herbei und nahm ihm den Degen aus der Hand, um ihm die Mühe zu ersparen, denselben selbst in die Scheide zurückstecken zu müssen, indes ein zweiter Bedienter ihm das Wams darbot, welches wie das meinige von blaßblauem Satin war, jedoch im Gegensatz dazu gar prächtig bestickt, mit Perlen besetzt und gemäß dem höfischen Geschmack geschnitten. Quéribus schlüpfte lässig hinein und ging auf den Marquis d’O und Maugiron zu, ein Lächeln im Gesicht und einen Scherz auf den Lippen; da fiel sein Blick unversehens auf mich, der ich dastand und ihn mit den Augen verschlang. Sogleich versteinerte sich sein Gesicht, und er blickte mich, einen höhnischen Zug um die Lippen, die Augenbrauen hochmütig emporgezogen, voll unendlicher Verachtung an,

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