Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
öffentlich. Ich bitte Euch, dies zu bezeugen.«
»Ich bezeuge es«, antwortete der Marquis d’O mit kummervoller Miene.
»Herr Marquis«, sprach ich darauf mit einer tiefen Verbeugung, »ich habe mein Quartier zu Paris bei dem Mützenmachermeister Recroche in der Rue de Ferronnerie. Dort bin ich jeden Morgen anzutreffen. – Monsieur de Maugiron, ich empfehle mich. – Herr Baron«, fuhr ich mit eisiger Stimme fort, »ich bin Euer ergebener Diener und stehe jederzeit zu Eurer Verfügung.«
»Monsieur, vielmehr bin
ich
Euer ergebener Diener«, entgegnete Quéribus mit sanfter Stimme und einer tiefen Verbeugung. Und indes er sich wieder aufrichtete, waren Grimm und Hochmut wie durch Zauberei aus seinem Angesicht gewichen, und er warf mir einen Blick zu, welcher zu meinem großen Erstaunen nicht unfreundlich, sondern eher freundlich war. Doch größer noch war mein Erstaunen, als ich mich dabei ertappte,daß auch ich ihn ohne jeden Groll anblickte. Und indem wir gelassen einer den anderen ansahen, ging ein flüchtiges Lächeln über unsere Gesichter, als wäre der ganze Streit, in dem wir uns gegenseitig so hart zugesetzt, nur eine Art Maske gewesen, hinter der wir unversehens enge Freundschaft geschlossen. Aber daß wir uns erst die Kehle durchschneiden wollten, bevor es dazu kam, war ein Gedanke, welcher mich nachdenklich stimmte.
»Ach, Moussu!« sprach Miroul verzweifelt und gleichsam die Hände ringend, indes wir unseren Weg durch den Schloßhof fortsetzten, »Ihr hättet nicht auf das Wort Bauer antworten sollen. Ihr waret blind und hättet auch taub bleiben müssen!«
»Welch ein Unglück!« ließ sich da Samson vernehmen, das lilienweiße Gesicht totenbleich, »ein Duell mit diesem Haudegen! O mein Bruder, er wird Euch töten!«
»Oder Ihr tötet ihn, Moussu, und verliert dann den Kopf!« fügte Miroul mit erstickter Stimme hinzu, so sehr war ihm die Kehle zugeschnürt. »Ein Baron! Ein angesehener Höfling! Ein Gefolgsmann des Herzogs von Anjou! Oh, Moussu, welcher Wahnwitz!«
»Was hätte ich tun sollen?« sprach ich. »Hätte ich nicht auf das Wort Bauer geantwortet, dann hätte Quéribus sein Schmähen fortgesetzt.«
»Das wäre wohl geschehen!« klagte Miroul unter tiefem Seufzen.
»O mein Bruder!« sprach Samson mit Tränen in den Wimpern und ergriff meinen Arm, »wenn der Ruchlose Euch töten sollte, werde ich ihn vor meine Klinge fordern!«
»Das fehlte noch!« erwiderte Miroul, »dann würde er auch Euch noch töten!«
»Und Euer Tod wäre mir ein großer Trost im Himmel«, setzte ich lachend hinzu. »Doch nun wollen wir nicht mehr jammern, mein Bruder, und das Buch der Klagelieder ein für allemal schließen. Ich habe vor, Monsieur de Nançay von diesem unglücklichen Geschehnis zu unterrichten und seine Meinung darüber einzuholen.«
Monsieur de Rambouillet, welchen ich befragte, wo ich den Gardehauptmann finden könne, sagte mir, er habe ihn noch nicht zu Gesicht bekommen, doch sei es gut möglich, daß ersich im
Ballhaus zu den fünf Jungfern
aufhalte, darinnen er sich zu vergnügen pflege und wo zu dieser Stunde kein großer Andrang herrsche. So schickte ich Miroul zu Giacomi in die Galerie, diesem zu vermelden, wohin wir uns verfügten. Alsdann passierte ich mit Samson das Tor des Louvre und klopfte an die große schwere Tür des Ballhauses, worauf sich diese einen Spalt breit auftat und ein Bedienter nach meinem Namen und Begehr fragte. Nachdem ich ihm dies vermeldet, erschien sogleich der Ballmeister Delay, welchselbiger hahnenstolz wie gewöhnlich, doch recht höflich zu mir sprach, daß er mich als den perigurdinischen Edelmann wiedererkenne, welchen er des Tags zuvor mit Monsieur de Nançay gesehen, und ich möge nur eintreten, denn der Hauptmann werde zu einer Viererpartie erwartet. Unter solchen Worten führte uns Meister Delay auf die Galerie, welche zu dieser Stunde ganz verlassen war, setzte sich dort ohne weitere Umstände neben mich und begann auf rechte Pariser Art, mir tausenderlei Fragen über mich selbst, meine Anverwandten und meine Provinz zu stellen. Ich hörte ihm nur mit halbem Ohr zu und antwortete so knapp, als es die Höflichkeit nur zuließ, denn meine Aufmerksamkeit war auf zwei Edelmänner gerichtet, welche in Beinkleidern und Hemd den Ball über das Fransenseil schlugen, indes ein dritter Edelmann, am Seil stehend, das Schiedsrichteramt ausübte und ungeduldig darauf zu warten schien, beim Spiel mittun zu können. Zumindest schloß ich dies aus seiner
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