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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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und dem nur sein Rang die Würde eines Älteren verlieh), »kann es eine törichtere Torheit geben, als daß ein Edelmann ohne jeden Haß im Herzen gegen einen seiner Gefährten vom Hofe, dem er ja sogar freundschaftlich verpflichtet ist, darauf aus ist, diesen im Namen irgendeines Gebotes falsch verstandener Ehre oder Ritterlichkeit umzubringen?«
    Diese nachhaltige und schöne Mahnrede, höchst trefflich in so milden Worten vorgetragen, verursachte ein so vollkommenes Schweigen unter unseren anmutigen Kavalieren, daß man eine Nadel hätte fallen hören können; ein jeder verstummte nach Maßgabe seiner Vergehen, welche wohl groß waren angesichts der Betroffenheit, die sich allenthalben auf den Gesichtern malte, denn in der ganzen Runde war gewißlich kein eifriger Fechter, der in solcherart Raufhändel noch keinen tödlich durchbohrt hatte.
    Auch der Herzog schwieg, elegant in seinem Lehnsessel sitzend, die schönen Hände (welche er, wie ich später von Fogacer hörte, mit Ölen und Salben weich und geschmeidig hielt) anmutig auf den Lehnen und seine schönen schwarzen Augen auf Quéribus gerichtet, als erwartete er, daß dieser spräche.
    »Was also soll ich tun, durchlauchtiger Herr?« fragte Quéribus, bleich und gleichsam zitternd, ganz verzweifelt darob, seinem Herrn mißfallen zu haben. »Soll ich mich ungesäumt mitMonsieur de Siorac aussöhnen und ihm eine Entschuldigung antragen?«
    Worauf der Herzog, ihm erhobenen Hauptes ins Angesicht blickend, kein einziges Wort erwiderte, sondern schweigend in seiner majestätischen Unbeweglichkeit verharrte.
    »Nun denn, wenn es sein muß«, hub Quéribus an, die Nase zusammengekniffen von der Anstrengung, die es ihn kostete, sich vor mir zu demütigen, »Monsieur de Siorac, ich bitte Euch …«
    Doch ich ließ ihn seine Rede nicht vollenden, denn die Dinge nahmen nicht den Verlauf, den ich wünschte. Unversehens vor den Baron tretend, umarmte ich ihn und sprach laut und vernehmlich:
    »Monsieur de Quéribus! Mir liegt nicht an Entschuldigungen, Eure Freundschaft ist es, die ich begehre, nur sie allein.«
    Worauf er errötete und lachte, erbleichte und wieder lachte, mich dann, unversehens alle Zurückhaltung aufgebend, ebenfalls in seine Arme schloß und wohl hundertmal auf die Wangen küßte, welche Küsse ich nicht zu knapp erwiderte, fand ich daran doch mehr Vergnügen, als mir von der Spitze seines Degens zuteil geworden wäre. Denn um es offen zu gestehen: er war von solcher Stärke im Fechten, daß er mich mit einem Streich niedergestreckt hätte, so die Angelegenheit auf dem Fechtplatz entschieden worden wäre.
    Nachdem wir uns genüglich umhalst und wohl hundertmal freundschaftlich auf Rücken und Schultern geklopft hatten, löste sich Quéribus schließlich aus der Umarmung, trat einen Schritt zurück und sprach, wiederum errötend, eine Träne in den Wimpern, doch mit lachendem Angesicht:
    »Siorac, ich gestehe und bekenne allhier, daß Ihr kein größerer Bauerntölpel seid denn ich.«
    »Und Ihr«, erwiderte ich, »keine größere Ratte als ich.«
    »Und Euer Wams«, setzte er hinzu, »nicht schlechter als das meine.«
    »Wie!« sprach da unvermittelt der Herzog von Anjou, »das vermeinet Ihr wirklich, Quéribus?«
    »Gewiß, durchlauchtiger Herr«, erwiderte Quéribus mit einer Verbeugung.
    »Ei, dessen bin ich wohl zufrieden!« fuhr der Herzog fort, »denn als ich Euch beide in Eurer Umarmung betrachtete, fiel mir auf, daß Ihr von gleicher Größe und Leibesbeschaffenheitseid, und so kam mir der Gedanke, daß Ihr als Unterpfand der Freundschaft, die Ihr Euch geschworen, Eure Wämser tauschen solltet.«
    Auf diese Äußerung hin, welche einem Befehl gleichkam, erhoben sich etliche Ho! und Ha! sowie Gelächter unter den Anwesenden, doch der Herzog blickte darauf so starr in die Runde, daß alle sogleich verstummten. Ich überlasse es dem Leser, sich das lange Gesicht vorzustellen, das Quéribus beim Wechsel seines Wamses zog; auch bei mir wollte sich keine rechte Freude einstellen, als ich die ihm solchermaßen entzogene prächtige Hülle anlegte, denn sein Mißvergnügen ging mir zu Herzen angesichts der freundschaftlichen Zuneigung, welche ich nunmehr für ihn empfand. Und obgleich die umstehenden Stutzer schier zerplatzten vor verhaltener Schadenfreude, so daß ihnen die Wangen geschwollen waren wie aufgeblasene Froschbäuche, wirkte die oberherrliche Macht des Herzogs doch so stark auf sie, daß keiner loszulachen wagte und sogar die

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