Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Schulter. Uns umwendend, erblickten wir Monsieur de Montesquiou mit den zwei dicken schwarzen Strichen im Gesicht (welche mich immer wieder in Verwunderung setzten, denn ich fragte mich, wie er damit jemals lachen könne), welcher uns vermeldete, die Stunde sei vorbei und wir sollten in den Saal zurückkehren, worinnen Seine Hoheit uns erwarte.
Wir wendeten also unsere Schritte dorthin, höchst zufrieden ob der lustigen Reden, die wir geführt, die Lippen noch spöttisch verzogen und die Wangen wie abgenützt von all den Küssen, die wir getauscht, indes Montesquiou unser panurgisches Gefolge an der Schwelle des Gebäudes zurückhielt.
Ich war so bezaubert von dem Herzog und der italienischen Feinheit seiner Aufführung (er war doch durch seine Mutter ein Medici und also Erbe der Anmut, der Schläue und des Schönheitssinnes seiner florentinischen Familie), daß ich mir viele Annehmlichkeiten davon versprach, ihn von neuem zu sehen und zu hören, obgleich mich das Gewissen ein wenig drückte – freilich kaum mehr als ein Steinchen im Stiefel, das einen nicht am Laufen hindert, sich nur immer wieder bemerkbar macht –, weil ich so große Bewunderung hegte für einen geschworenen Gegner meines Lagers, den Sieger von Jarnac undMoncontour, schuldig an der Ermordung Condés durch die Hand des finsteren Montesquiou, welchselbiger mich jetzt zu ihm führte. Wenn es jedoch, wie der Ballmeister gesagt, vier Könige in diesem zerrissenen Reich gab: Karl IX., Coligny, den Herzog von Anjou und den Guise, so war es wohl nicht verwunderlich, daß jeder der vier sich vom andern bedroht fühlte und auf dessen Vernichtung sann, es konnte zwischen ihnen nur zeitweilige Bündnisse gegen einen der vier geben. Und in der gegenwärtigen seltsamen, schier widernatürlichen Konstellation, da Karl IX. unseren Coligny zu seinem Berater genommen – aus Mißtrauen gegen seine Mutter und aus Haß auf seinen Bruder –, konnte es wohl geschehen, daß dieser Bruder sich mit Guise verständigte, obgleich er doch dessen maßloses Streben nach dem Thron der Valois fürchten mußte, wie sich in der Folgezeit zeigen sollte. Und so hatte das papistische Lager in der Zeit, da der König sich von Coligny beraten ließ, zwei Köpfe unter derselben Mütze, nämlich Anjou und Guise, davon ein jeder nur darauf hoffte, daß der andere fiele.
Da ich in der obengenannten Gemütsverfassung in den Saal trat, war ich gar sehr enttäuscht, den Herzog von Anjou nicht mehr vorzufinden, ebensowenig die Menge der Höflinge, sondern nur noch fünf oder sechs Personen, unter welchen ich Fogacer neben einem höchst ernsten Manne erkannte, dessen ehrliches Gesicht mir nicht schlecht gefiel und der wohl der Arzt Miron war (welcher sich in Ausübung seines Amtes gar nicht so einfältig und unwissend erwies, wie Fogacer behauptet hatte). Auf unser Erscheinen löste sich aus dieser Gruppe ein Edelmann von recht großem Wuchs, wohlgestalt, das Auge kühn und unerschrocken (welcher, wie ich später erfuhr, Du Guast geheißen ward), schritt auf uns zu und sprach:
»Meine Herren, Seine Hoheit ward zur Königinmutter gerufen und hat nicht auf Euch warten können, hat aber einen Brief an Baron de Quéribus in die Feder gesprochen und mich beauftragt, ihm diesen zu übergeben.«
Unter welchen Worten Du Guast selbigen Brief dem Baron überreichte, der ihn sogleich erbrach, las und mit dem Ausdruck höchster Freude auf seinen schönen Zügen zu mir sprach:
»O Himmel! Welch gütiger, edler und großherziger Herrscher! Wenn ich tausend Leben hätte, ich würde sie ihm alle weihen! Leset, Siorac! es betrifft auch Euch.«
Oh, Leser, ich habe den Brief aufbewahrt, nachdem ich lange in Quéribus gedrungen, daß er ihn mir überlasse und hier ist er, leider in der Schrift eines Secretario, doch eigenhändig unterzeichnet vom Herzog und in der ihm eigenen Ausdrucksart:
»Monsieur de Quéribus,
ich kann Euch gar nicht genug danken für die Dienstfertigkeit, mit welcher Ihr mein Geheiß ausgeführt und woran ich Euern guten Willen mir gegenüber erkenne. Ich versichere Euch, daß Ihr Gelegenheit haben werdet, auch den meinigen zu erfahren. Monsieur Du Guast wird Euch eines meiner Wämser einhändigen als Ersatz für dasjenige, worinnen Ihr Euch in diesem Schloß gezeigt und welches Monsieur de Siorac zurückgegeben werden soll, ohne daß er Euch das Eure zurückzugeben habe: es soll als Unterpfand der Treue gelten, welche Ihr Euch geschworen und die Euch für immer als Brüder
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