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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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eine gehörige Menge an Leuten hinter uns her (denn es gibt am Hofe ebenso viele Maulaffen wie in der Stadt), welche alle danach lechzten, das große und tiefe Geheimnis eines geflickten Wamses, welches ein schöner Kavalier trug, zu lüften.
    Dieser Höflingszug gab uns viel zu lachen, wie man sich wohl denken mag. Indes drückte Quéribus meinen Arm und fragte verschmitzt:
    »Siorac, mich deucht, Ihr seid von derselben Kirche wie der Großprior von Frankreich?«
    »Wer ist dieser große Mann?« entgegnete ich, ziemlich beunruhigt, daß er zu einem Hugenotten von der Kirche sprach.
    »Der Bankert von Angoulême. Doch dem Himmel sei Dank: er hat von diesem Amt nur den Titel und die Einkünfte. Wenn er den Damen den Segen oder die Absolution erteilen müßte, wer weiß, welchen Weihwedel er dazu benützen würde, denn es gibt keinen größeren Schürzenjäger im Königreiche als ihn. Wißt Ihr, was der Herzog von Anjou über ihn sagt?«
    »Ihr werdet es mir sogleich berichten, wette ich.«
    »Der Großprior pflegt einer Jagd gar wunderlich, dabei sind Roß und Flinte ihm nur hinderlich.«
    »Und welche Art von Jagd sollte das sein?« sprach ich in gespielter Einfältigkeit.
    »Dieselbe, welche auch Ihr liebt.«
    Worauf wir beide aus vollem Halse lachten, zumal ich, über die Schulter blickend, gewahrte, wie einige aus der uns nachtrabenden Schafsherde, obgleich sie nichts gehört und nichts von der Ursache unserer Heiterkeit wußten, ebenfalls lachten, um die anderen glauben zu machen, sie seien im Bilde.
    »Sapperment, Siorac!« sprach Quéribus, »was für ein liebenswürdiger Gefährte seid Ihr doch, und wie schade wäre es gewesen, Euch den Garaus zu machen, da Ihr so viele Gaben besitzet, welche einem Edelmann zur Ehre gereichen. Im übrigen«, fuhr er nicht ohne eine Spur von Eitelkeit fort, »wenn ich Euch recht betrachte, so deucht mich, Ihr hättet einige Ähnlichkeit mit mir.«
    »Quéribus«, erwiderte ich mit einem falschen Seufzer, »Ihr schmeichelt mir. Mein Haar ist blond, das Eure golden; meine Augen sind von graublauer Farbe, die Euren von schönstem Himmelblau; meine Haut ist hell, die Eure weiß; meine Nase gerade, die Eure ebenso, doch weitaus zierlicher, dazu sind Eure Lippen von so vollendeter Form, daß die Damen wohl alle ganz verzückt sein dürften. In einem Wort, Baron: ich bin der Entwurf, Ihr seid das vollendete Werk.«
    Und obzwar ich halb im Scherz gesprochen, verfehlten diese schönen Worte nicht, Quéribus in höchste Seligkeit zu versetzen; so nahm er mich, im Gehen innehaltend, in seine Arme, gab mir wohl hundert Küsse und sprach:
    »Oh, Siorac! Mein Freund! Mein ander Ich! Ich bin Euch schon so zugetan, daß ich Euch nie mehr missen möchte. Verfüget denn über mein Haus, meinen Säckel, meine Rösser. Sapperment! ich gäbe Euch alles, was ich besitze, und noch mehr! Und so es an diesem Hofe eine Schöne gibt, nach der Euch gelüstet, dann nennet mir nur ihren Namen, und bei Gott! sie soll Euch gehören! Dafür will ich mit all meinen Kräften sorgen.«
    Mich dünkte, daß Quéribus hier übertrieb, den Aufschneider und Eisenfresser spielte. Ich täuschte mich; denn als ich den Hof etwas besser kannte, entdeckte ich, daß unsere Pariser in allem zum Übermaß neigen: in der Liebe wie im Haß. Ein Edelmann, dessen engster Gefährte vierzehn Tage fern von ihm weilte, ließ sich in seiner Trauer Bart und Haar wachsen, verweigerte in seinem Kummer Speise und Trank oder nahm, genauergesagt, nur so viel zu sich, um bis zur Rückkehr des Abwesenden zu überleben.
    Ich sagte meinem neuen Freund, welcher mir eine Stunde zuvor noch den Hals abschneiden wollte, tausendmal Dank und halste und küßte ihn meinerseits, indes ich zu ihm sprach, die Schöne sei bereits erwählt und habe mich für den Abend zum Nachtmahle geladen und zu vielleicht noch mehr, in einem kleinen Haus der Rue de Trouvevache. Bei diesem Straßennamen lachte Quéribus.
    »Ha, Siorac!« sprach er, »ich kenne die Dame. Es ist die Baronin von T. Es gibt am Hofe keinen einigermaßen wohlgestalten Edelmann, den sie nicht schon zu ihrem kleinen Nachtmahl geladen hätte, doch,
caro mio
, das ist magere Kost! Die Dame ist eine Erzkokette. Als Vorspeise wird es ein paar Liebkosungen geben. Mehr als ihre Lippen werdet Ihr allerdings nicht bekommen. Sie wird Euch mit einigen Appetitshäppchen hinhalten und sich, eh es zur Hauptspeise kommt, gänzlich versagen.«
    Da er diese Worte sprach, berührte ihn jemand leicht an der

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