Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Göttern so verwöhnten Mannes nicht von Frieden erfüllt war.
Ich bemerkte noch, daß der Herzog einen schmalen, dünnen Schnurrbart trug, welcher sich an den Mundwinkeln nach unten neigte (was nicht verfehlte, den bitteren Zug um seine Lippen zu verstärken), sowie ein kleines Haarbüschel unter der Unterlippe und eine schmale Bartkrause, alles in schönstem Schwarz wie das Haupthaar, welches sich unter seinem mit einer Aigrette geschmückten Barett bauschte, jedoch die hohe, breite Stirn freiließ.
»Monsieur de Siorac«, sprach der Herzog von Anjou mit leiser, sanfter Stimme und ernstem, jedoch nicht grimmigem Blick, »ist es wahr, daß Ihr auf dem Schloß mit Monsieur de Quéribus in Streit gerietet?«
»Ja, durchlauchtiger Herr«, antwortete ich mit einer tiefen Verbeugung.
»Und wer von beiden hat diesen Streit verursacht?«
Welche Frage mich in nicht geringe Verlegenheit versetzte, zumal ich Quéribus, welchen ich bei meinem Eintritt nicht bemerkt, da ich nur Augen für den Herzog hatte, nunmehr zu meiner Rechten gewahrte, noch immer begleitet von dem Marquis d’O und von Maugiron, doch jetzt ohne allen Hochmut, bleich, beschämt, betretener noch als ich selbst und – wie ich sah – in großer Furcht, die Gnade seines Herrn zu verlieren. Derartiges hatte ich nicht zu befürchten, da ich als Hugenott von vornherein keine Gnade besaß, und so entschloß ich mich, den Baron ein wenig von seiner Schuld zu entlasten.
»Durchlauchtiger Herr«, begann ich also, »schuld ist weder der eine noch der andere, sondern mein Wams, welches Monsieur de Quéribus, da er es betrachtete, zu einem entrüsteten Blick veranlaßte. Worauf ich meinerseits entrüstet blickte; nun wiederum entrüstete sich Monsieur de Quéribus über meine Entrüstung, und so wurden aus Blicken Worte, wovon wir einige wechselten, scharf genug, den einen wie den anderen zu verletzen, obgleich der Anlaß recht gering war, nämlich einzig und allein ein verflixtes geflicktes Wams.«
Worüber Seine Hoheit gnädig lächelte, denn er fand großen Gefallen an solchen
giochi di parole
1 wie man in der Folge dieser Unterredung noch sehen wird.
»Quéribus«, sprach der Herzog, »was vermeinet Ihr zu dem Bericht, welchen Monsieur de Siorac von Eurer Begegnung gegeben?«
»Er ist über alle Maßen edelmütig und verkleinert meine Schuld.«
Bei welchen Worten Quéribus sich artig zu mir verbeugte, welche Verbeugung ich ungesäumt erwiderte.
»Querköpfiger Quéribus«, sprach der Herzog (nicht ohne Stolz über den Stabreim, welchen die Höflinge mit beifälligem Gemurmel bedachten), »habt Ihr, abgesehen von seinem Wams, noch anderen Grund zur Klage oder Beschwerde über Monsieur de Siorac?«
»Mitnichten, Euer Hoheit.«
»Hasset Ihr ihn?«
»Ganz das Gegenteil ist der Fall«, erwiderte Quéribus nicht ohne Herzlichkeit. »Es muß einer schon recht mutig sein, mit mir die Klinge kreuzen zu wollen, und recht gutherzig, mir meine herausfordernden Blicke nicht nachzutragen. Ich kenne Monsieur de Siorac erst seit gestern, doch hat er bereits meine Liebe und Achtung errungen.«
»Und doch wolltet Ihr ihm die Kehle durchschneiden!« sprach da der Herzog, die Stimme plötzlich lauter und das Gesicht verfinstert. »Und es gibt noch andere Händelsüchtige, die sich gegenseitig nach dem Leben trachten! Oh, meine schönen Freunde«, fuhr er, an die Umstehenden gewandt, fort, »wie widersinnig und aberwitzig sind doch diese Händel, welcheTag für Tag zwischen Euch ausbrechen, selbst in diesem Schloß, in der Nähe der Person des Königs! Was ein kapitales Verbrechen ist nach den Gesetzen des Königreiches! Und was ist die Ursache solcher Händel? Kleine, nichtige Anlässe wie dieses Wams. Ist es schon so weit gekommen, daß das gegenseitige Niedermetzeln ein Spiel für Euch ist, zu dem es keines besonderen Anlasses mehr bedarf? Hütet Euch, daß die Dämonen Zwist und Hader nicht Fuß fassen unter dem Adel und ihn am Ende verschlingen. So man sich die Mühe machte, diejenigen zu zählen, welche alljährlich im Königreich Frankreich ihr Leben in solchen Ehrenhändeln lassen, dann fände man heraus, daß Schlachten geschlagen wurden, in denen nicht so viele junge, tapfere Edelleute das Leben verloren, welche ihren Fürsten dereinst ehrenvoll hätten dienen und hohe Würden erringen können, anstatt in der Blüte ihrer Jahre bei einem Duell auf dem Platze zu bleiben. Meine schönen Kinder«, fuhr der Herzog fort (welcher geradeso viele Jahre zählte wie ich
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