Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Vertrages trocken, als schon mancherorts im Königreiche die Verfolgungen der Unseren wieder ihren Lauf nahmen.
Der Vertrag zu Longjumeau wurde am 23sten März geschlossen, und im Sarladischen Land erreichte uns die Kunde davon bereits am 8en April, so schnell wanderten in den unruhigen Zeiten die Neuigkeiten von Hugenott zu Hugenott.
»Mein Herr Vater«, sprach ich, nachdem ich ihn unversehens in seiner Bücherei aufgesucht, »möget Ihr uns, meinen Bruder und mich, jetzt, da der Krieg zu Ende, wieder gen Montpellier ziehen lassen.«
»Und was wollet Ihr dort«, sprach Jean de Siorac, »wenn die Lectiones zu Pfingsten enden werden?«
»Die Lectiones der Schule, jedoch keineswegs die privaten Lectiones, welche der Kanzler Saporta und der Doyen Bazin gegen Bezahlung geben! Und so ich rechtzeitig ankomme, läßt mein ›Vater‹ Saporta mich vielleicht das Examen eines Bakkalaureus der Medizin vorbereiten, so daß ich dann Kranke visitieren und Recepta werde ausfertigen können, sie von ihren Übeln und Gebrechen zu kurieren.«
»Freilich«, sprach mein Vater mit einem Seufzer, »all dies ist gut und trefflich, doch die Gefahren und Bedrängnisse, in welche Ihr zu Montpellier geraten könntet?«
»Mein Herr Vater, sie sind nicht größer denn diejenigen, welche allhier lauern, wo einer nicht die Nase hinausstecken kann, ohne fürchten zu müssen, eins draufgehauen zu bekommen, solange dieser Hundsfott Fontenac nicht seine gerechte Strafe gefunden. Überdies hegen – so ich Madame de Joyeuse glauben darf – die Papisten zu Montpellier mir gegenüber weniger Haß und Feindseligkeit, seit ich den Bischof von Nismes gerettet.«
»Doch kann man dem, was sie schreibt, Glauben schenken?« sprach mein Vater mit einem Seufzer. »Mich deucht, diese edle Dame gelüstet es gar sehr nach einem Wiedersehen mit Euch.«
So redete er zwei Tage lang dawider, höchst betrübt und bedrückt, Samson und mich ziehen zu lassen, sintemalen es ihm große Freude gebracht, daß er uns den ganzen Winter in seiner Gesellschaft gehabt. Doch was half es! Ich mußte meine Studien fortsetzen und Samson in Meister Sanches Apotheke zurück, seine Lehre zu vollenden. Nachdem er sich schließlich damit abgefunden, daß wir Mespech wieder verlassen müßten, worüber Oheim Sauveterre nicht weniger traurig war, wenngleich er dies hinter seiner ewig finsteren Miene verbarg, bestand mein Vater doch darauf, uns mit Cabusse und Pétromol zu begleiten.
Aber ach, welch bedauerliche Schicksalsfügung sollte uns widerfahren! Mein Vater, welcher am 28sten April 1568 zu Montpellier Abschied von uns nahm, sollte uns erst im September Anno 1570 auf Mespech wiedersehen, zweiundeinhalb Jahre später! Der Krieg war nämlich bald wieder entbrannt, da die Medici versucht hatte, Condé und Coligny in Noyers durch Verrat ergreifen und umbringen zu lassen. Wenn der Krieg also von neuem überall wütete, wie hätten wir da über Land reiten können, ohne Gefahr zu laufen, in die Hände der Papisten zu fallen?
Als ich Anno 1570 auf Mespech zurückkehrte, gab mir mein Vater unverzüglich die Briefe zu lesen, welche er während der Kriegszeit von zwei gar guten Freunden erhalten; der eine, Rouffignac geheißen, kämpfte in der Armee der Hugenotten,und der zweite war kein anderer als der Vicomte d’Argence, der als Hauptmann in der königlichen Armee diente und bekanntlich den Prinzen von Condé in der Schlacht zu Jarnac gefangennahm. Ich las diese Schreiben mit dem größten Interesse, und da sie nie veröffentlicht wurden und solches auch nicht mehr geschehen kann, da der Herrgott ihre Verfasser zu sich gerufen, will ich nachstehend ihren wesentlichen Inhalt zur Unterrichtung des Lesers wiedergeben.
Obgleich Rouffignac den Admiral Coligny gar sehr bewunderte, verhehlte er doch in seinen Briefen nicht, daß dieser in der nachfolgend geschilderten Schlacht einen ganz unbegreiflichen Fehler beging. Als Tavannes (welcher der eigentliche Befehlshaber der königlichen Soldaten des Herzogs von Anjou war) auf dem rechten Ufer des Charente-Flusses an der Brücke von Chateauneuf auftauchte, stand Condé bei Bassac und Coligny bei Jarnac. Und anstatt augenblicks einen Schwenk auf Condé hin zu vollziehen, vertat der Admiral viel kostbare Zeit, seine Streifwachen zurückrufen zu lassen, und als er sich schließlich, von Tavannes bedrängt, auf den Kampf einlassen mußte, wäre er um ein Haar der Übermacht erlegen und mußte Condé zu Hilfe rufen. »Das Unglück wollte es, »so
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