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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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gefunden an der kleinen Schlange und ihren Äpfelchen? Und Ihr tatet recht daran! Denn ein hübscheres Kätzchen, so zierlich und wohlgerundet, hat wohl keiner je im Sarladischen Land gesehen! Aber ich will mit Euch von Mann zu Mann sprechen und Euch nicht verhehlen: ich hätte gar sehr gewünscht, Euerm älteren Bruder François wäre es in den Sinn gekommen, in dieses schöne Blumengärtchen einzudringen, um sich seine ersten Sporen zu verdienen. Doch er zieret sich gar seltsam, rümpft die Nase über unsere Leute und will als erste Buhlerin nur ein adelig Fräulein, welches ich, der ich nicht König von Frankreich bin, ihm nicht geben kann. Und so hat er in seinem Alter noch nie einem Weibe beigewohnet und läuft in seiner Unerfahrenheit und Einfältigkeit wie ein Küken umher, dem der Schnabel noch gelb und die Eierschalen noch am Sterz kleben.«
    Ich schwieg, wohl merkend, wie sehr mein Vater trotz seines spottenden Tones Gram und Kummer darüber verspürte, daß sein Ältester so lange brauchte, um zum Manne zu werden undihn mit einem Sohn – sei es auch nur ein Bastard – zu erfreuen, ihn, der seine eigenen Bastarde mit offenen Armen aufnahm (wie es übrigens im Périgord üblich war, insonderheit bei den Edelleuten) und sie in allem seinen wirklichen Söhnen gleichstellte, so wie auch Sauveterre sie wie seine eigenen Neffen behandelte, denn obgleich die Unzucht Sünde in den Augen des Oheims war, so galt ihm doch Fruchtbarkeit als eine Tugend. Ein Grund mehr, weswegen Fontenac in unserer Familie verachtet wurde, denn er hatte vor dem eigenen Fleisch und Blute nicht mehr Respekt als vor dem der anderen und jagte die Kinder, welche er außerhalb der Ehe gezeugt, aus dem Hause.
    »Mein Herr Vater«, sprach ich schließlich, da das Schweigen länger andauerte, als ich gewollt, »habt Ihr François angezeigt, wie es um die Gavachette steht? Vielleicht glaubt er sie Euch vorbehalten und also unerreichbar für Eure Söhne?«
    Worauf mein Vater, mir in die Augen blickend, zu lachen anfing.
    »Dies ist eine Frage, von der ich wohl sagen möcht, daß sie höchst geschickt und verschlagen sei, denn offensichtlich sollen so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden.«
    Er gab jedoch keine Antwort darauf, sondern erhob sich unvermittelt und forsch, bedeutete Miroul, den Kandelaber aufzunehmen und uns zu leuchten.
    »Mein Herr Sohn«, sprach er kurz und bündig, »wir wollen uns zur Ruhe begeben!«
    Ich folgte ihm hängenden Kopfes, da nichts entschieden war – weder für heute noch für morgen –, der Bitternis meiner Einsamkeit abzuhelfen. Als wir jedoch vor der Kammer ankamen, in welcher der Baron von Mespech mit Franchou schlief, wendete er sich auf einmal zu mir, der ich ihm folgte, blickte mich lächelnd mit blitzenden Augen an und flüsterte mir, indem er mich gar herzlich umarmte, auch auf beide Wangen küßte, ins Ohr:
    »Vale, mi fili; et sicut pater tuus, ne sit ancillae formosae amor pudori.
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«
    »Ei, mein Herr Vater«, sprach ich mit bewegter Stimme, »nichts anderes vermeine ich.«
    Nachdem sich die Tür hinter Jean de Siorac geschlossen, umarmte ich meinen wackeren Miroul, welcher – so schläfrig er war – mir zulächelte, da er die Worte des Herrn Baron sehr wohl verstanden hatte, obzwar er des Lateins nicht mächtig war. Er bot mir den Leuchter, allein ich nahm ihn nicht, da ich die Hände frei haben wollte und auch der helle Mond durch die Fenster schien. Nachdem sich Miroul entfernt, lief ich flugs zu der Kammer im Westturm, darinnen in einem Bett Barberine schlief und in einem anderen Anet, Jacquou sowie die Gavachette. Welchselbige ich, so bloß und nackt, wie sie war, mit meinen Armen aufhob und, ohne daß sie gänzlich erwachte, wie ein Diebsgesell zu meiner Kammer trug, wobei mir das Herz gar stark in der Brust schlug. Dort legte ich sie sacht auf mein Bett nieder, wohin ich ihr augenblicks folgte. Indem sie, ruhig und friedlich atmend, in tiefem Schlafe lag, kam mir der verlockende Gedanke, ihr also beizuliegen, daß sie mich für einen Traum hielte. Allein, als ich es recht bedachte, tat ich es nicht, denn ich wollte nicht, daß sie durch den Schmerz erwache, welchen ich ihr wohl oder übel antun müßte, damit sie mein werde. Also bezähmte ich mich, so schwer es mir auch fiel, und nahm es auf mich zu warten, bis daß sie beim Morgengrauen von selbst erwache. Indem ich sie, schlank und zierlich, mit knospenden Rundungen, das maidenhafte Gesicht von einem Mondstrahl beschienen,

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