Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
fest mit meinen Armen umschlossen hielt, verbrachte ich also, halb im Schlaf, halb im Traum, lange Stunden des Wartens, welche mir in ihrer wonnigen Beschwerlichkeit bis auf den heutigen Tag lebhaft erinnerlich sind, mehr noch als was danach folgte, denn so heiß das Gelüst auf die Frucht, so schnell ist sie verspeiset.
    Und obgleich es große Sünde war, wie Alazaïs laut klagte, indes Sauveterre mißbilligend die Stirn darüber runzelte und mein Vater sich insgeheim darüber lustig machte, bekenne ich mich offen zu meinem Tun. Wäre es denn nicht eine gar heuchlerische List, zu behaupten, man bereue sein Tun, wenn man doch nicht davon abläßt? Und warum sollte ich wohl meinen Schöpfer um Verzeihung anflehen, wenn mir Tag um Tag soviel Freude daraus erwächst, daß Er in seinem Garten Eden dem Manne eine solch holde und liebreizende Gefährtin gegeben?
    Die glühenden Liebesgedanken, die ich für meine Angelinahegte, als auch das Herzeleid, welches mir ihr Fernsein verursachte, wurden dadurch mitnichten gemindert, und Mespech, worin ich fern von ihr festgehalten, deuchte mir noch immer eine Art Kerker, ein Kerker freilich, mit dem mich abzufinden mir jetzt leichter fiel. Nicht daß ich für die Gavachette die gleichen zarten Gefühle empfunden hätte wie in meinen Kindesjahren für die kleine Hélix. Doch sie gefiel mir gar wohl, diese Zigeunertochter, eine Wildkatze, geschmeidig und grazil, mit spitzen kleinen Zähnen stets bereit zum Zubeißen, mit gar noch flinkeren Krallen und dunklen, im Zorne tiefschwarzen Mandelaugen; dazu über alle Maßen großtuerisch vor Stolz, meine Buhlerin zu sein; verspielt, schelmisch und widerspenstig, sich gern der Müßigkeit hingebend (insonderheit im Bett), die Mühen der Haushaltung meidend und eitle Tändelei ernstem Werk vorziehend; aufsässig und widersetzlich gegen Alazaïs, dieses hünenhafte Weib, das sie anzügelte wie eine giftige kleine Schlange; niemals klein beigebend, so viele Maulschellen sie darob auch erhielt; zu den Männern (ausgenommen Sauveterre) höchst kokett, denn auf den kleinsten Blick hin begann sie die Augen zu verdrehen und den ganzen Körper – Schultern, Brüste, die schlanke Taille, das wohlgerundete Hinterteil – gar aufreizend zu regen; bissig und kratzig zu allen Weibspersonen, ausgenommen Barberine, welcher sie gar sehr zugetan; und allen gegenüber von einer Spitzbübigkeit, welche einen rasend machen konnte. Doch bei alledem hatte sie kein böses Herz.
     
    So rauh und hart der Winter im Périgord gewesen, so lieblich war der Frühling Anno 1568, mit Regen lau und lind, den Boden zu tränken, mit Sonne genug, daß Baum und Strauch mit Saft sich füllten und gegen Mitte des März die ersten Blüten sich zeigten (wie auch die ersten mattglänzenden Knospen). Zum Unglück hatte der Frühling nicht allein den Fluß der Säfte wieder in Gang gebracht, sondern auch den Krieg, welcher des Winters im endlosen Schlamm zum Stehen gekommen. Unsere Hugenottenarmee umfaßte nicht mehr nur die zweitausend tapferen Kriegsleute, welche die Stadt Paris durch ihre Belagerung in Angst und Schrecken versetzten. Die zehntausend Reiter und Landsknechte, welche der pfälzische Kurfürst gesandt, sowie die Verstärkung, die zahlreich aus dem Rouergue, demQuercy und dem Dauphine angerückt war, hatten sie auf dreißigtausend Mann anwachsen lassen, mit denen Condé und Coligny alsbald gegen die Stadt Chartres zogen, einen der Kornspeicher und Vorposten der Hauptstadt.
    Nach dem Tod des Konnetabels hatte die Medici ihrem Goldkind, ihrem Liebling, ihrem Herzchen, dem Herzog von Anjou, welcher gerade meines Alters war, den Oberbefehl über die königliche Armee übertragen. Jedoch die Schatzkammer war wie gewöhnlich leer. Und wenn die Hugenotten Chartres einnähmen, was würde dann aus dem schönen Korn der Beauce? Die Medici war eine gute Mutter, doch nur für einen ihrer Söhne. Dessen älteren Bruder, den König, liebte sie nicht, schätzte indes um so mehr, was sie von ihm übernommen: die Herrschaft im Königreiche, und so widerstrebte es ihr, diese Herrschaft und gar noch die Ehre des Hauses Anjou im Würfelspiel einer ungewissen Schlacht aufs Spiel zu setzen. Sie ließ sich auf Verhandlungen ein, und Condé, welcher keinen roten Heller hatte, die deutschen Reiter zu löhnen, fand sich bereit, mit ihr den Frieden von Longjumeau zu schließen, welcher – wer hätte es bezweifeln wollen – nur eine trügerische Waffenruhe war. Denn kaum war die Tinte des

Weitere Kostenlose Bücher