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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Weg freigab.
    In höchster Eile lief Téligny – ich immer hinter ihm – die Treppe hinauf und in das Gemach Colignys, welcher fahl und bleich auf einem Lehnstuhl saß und seine rechte Hand in die Höhe hielt, von der die beiden ersten Glieder des Zeigefingers herabhingen; auch an seinem linken Ellenbogen klaffte eine blutige Wunde. Ich bat die Umstehenden, Weingeist und Verbandzeug herbeizuschaffen sowie eine Schere, welcheman mir sogleich reichte und mit der ich dem Admiral den linken Ärmel aufschnitt, nachdem ich mein Wams abgelegt, damit es nicht mit Blut befleckt würde. Obzwar ich vorsichtig zu Werke ging, ließ es sich nicht vermeiden, daß ich hin und wieder seinen Arm berührte; der Admiral verzog jedesmal schmerzhaft das Gesicht und sah mich stumm mit seinen hellen Augen an, die Lippen zusammengepreßt, die Stirn schweißnaß.
    Ich hatte gerade den Arm bloßgelegt, als zu meiner großen Erleichterung Ambroise Paré hereintrat, begleitet von Monsieur de Mazille, einem der Leibärzte des Königs. Im selben Augenblick brachte jemand – ich glaube, es war Colignys Fähnrich Cornaton – das Verbandzeug und den Weingeist, davon Ambroise Paré ein wenig in ein Glas schüttete und damit die Wunde am Zeigefinger sowie die Schere säuberte, wonach er mit sanfter Stimme sprach:
    »Herr Admiral, Ihr werdet große Schmerzen erdulden müssen.«
    »Ich werde sie mit Geduld ertragen«, erwiderte Coligny.
    Das Gesicht bleich und schweißnaß, aber gefaßt, blickte er auf Ambroise Paré, indes dieser, die gewöhnliche Schere wie ein Skalpell handhabend, die beiden ersten Glieder vom Zeigefinger trennte. Wonach er den verstümmelten Finger verband, indes Madame de Téligny zu Füßen ihres Vaters herzzerreißend weinte und schluchzte.
    »Und nun der Arm!« sprach Coligny mit fester Stimme.
    »Herr Admiral!« sagte Paré, »soll er auch abgenommen werden?«
    »Gewiß!«
    »Was vermeinet Ihr, Monsieur de Mazille?« fragte Paré.
    »Ich vermeine, daß man am Ellenbogen schneiden sollte. Die Wunde klafft, und die Knochen sind beschädigt.«
    »Die Wunde im Fleisch schließt sich gewöhnlich, und auch der Knochen heilt«, erwiderte Paré, mit dem Kopf nickend, »wenn nur die Wunde nicht brandig wird. Ich sehe, wo die Kugel hineingefahren ist, nicht aber, wo sie herausgetreten ist. Folglich muß sie noch darinnenstecken. Was vermeinet Ihr, Monsieur de Siorac?«
    »Daß man zuerst versuchen sollte, die Kugel zu entfernen«, sprach ich, höchstlich erstaunt, daß der berühmte Wundarztnach meiner Meinung fragte. Und ich fügte hinzu: »Abnehmen sollten wir den Arm nur, wenn Brand oder Fäulnis auftritt.«
    Da Monsieur de Mazille ohne Widerspruch zustimmte, so groß und anerkannt waren die Erfahrung und Kunstfertigkeit des königlichen Wundarztes bei der Behandlung von Schußverletzungen – obgleich er kein Arzt, sondern nur Magister der Wundarzneikunst war, und das erst seit kurzem –, fragte nun Ambroise Paré, ob jemand einen Bericht von dem Mordanschlag geben könne, damit er sich ein Bild zu machen vermöge, wo die zu entfernende Kugel steckt.
    »Ich …«, hub Monsieur de Guerchy an, jener schöne Edelmann, dessen Streit mit Monsieur de Thiange der Admiral selbigen Tages vor dem Königlichen Rat geschlichtet hatte.
    »Sprecht nur, Guerchy«, sagte der Admiral, und an Madame de Téligny gewandt, welche noch immer schluchzend zu seinen Füßen kniete, fügte er mit sanfter Stimme hinzu:
    »Meine Tochter, warum weinet Ihr? Es stirbt kein Spatz, wenn Gott es nicht will. Und ist es nicht wunderbar, daß Er mich für würdig erachtet, um des Glaubens willen zu leiden?«
    »Herr Wundarzt«, stammelte Guerchy, dem die Tränen über das Gesicht rannen wie all den anderen, die sich in der Kammer befanden – Yolet, der Diener des Admirals, Nicolas Muss, sein Dolmetsch für die deutsche Sprache, der Graf La Rochefoucauld, der Hauptmann Monins, Téligny, Monsieur de Ferrières, Vitzdom von Chartres, der Fähnrich Cornaton und Pastor Merlin, welchem gar nicht in den Sinn kam, dem Admiral Trost zuzusprechen, so sehr war er damit beschäftigt, sich selbst zu trösten angesichts des furchtbaren Schlages, der seinen Freund und seine Kirche so unversehens getroffen hatte.
    Wie nun Guerchy vor Weinen und Schluchzen immer noch nicht zu sprechen vermochte, wiederholte der Admiral, zwar totenbleich, doch ruhig und gefaßt:
    »Sprecht nur, Guerchy.«
    Und so groß war die Autorität, welche der Admiral auf seine Gefolgsleute ausübte, die in

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