Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Mutter war eine geborene Caumont, und ging ihn begrüßen. Erfreut, mich zu sehen (zumal wir uns seit meiner Ankunft in Paris noch nicht begegnet waren, da er in der Vorstadt Saint-Germain außerhalb der Stadtmauern Quartier genommen), umarmte er mich gar herzlich und stellte mich der Reihe nach seinen Begleitern vor, als da waren: Téligny, welchen ich schon aus dem Ballhaus kannte; der Graf von Montgomery, ein hochgewachsener, steifer Graukopf, welcher sich am Hofe gewißlich nicht sehr wohl fühlte, da weder der König noch die Königinmutter ihn auch nur mit einem einzigen Wort oder Blick bedachten, ihm wegen seines unglücklichen Lanzenstoßes zürnend, durch welchen Heinrich II. in dem bewußten Turnier den Tod gefunden; Monsieur de Ferrières, Vitzdom von Chartres und gewißlichder klügste und umsichtigste der protestantischen Edelleute, wie sich später zeigte; Monsieur de Guerchy, ein Edelmann von rechter Schönheit, jedoch sehr hitzköpfig, dessen Streit mit dem Papisten Thiange selbigen Tages vor dem Königlichen Rat geschlichtet worden war; Monsieur de Briquemaut, welcher im siebzigsten Jahr seines Alters war und von dem ich wußte, daß er vor vierzehn Jahren in einer Verkleidung die Verteidigungswerke des von den Engländern besetzten Calais erkundet hatte; der Graf La Rochefoucauld, den man nur anzuschauen brauchte, um ihn zu lieben (was angeblich der König tat), und der mir in seiner blühenden Jugend eitel Lächeln, Anmut und Fröhlichkeit schien, und schließlich Monsieur de la Force, welcher ebenfalls mit den Caumonts verschwägert und von seinen beiden großen Söhnen begleitet war, deren jüngerer, Jacques, gerade vierzehn Jahre zählend, mir ob seiner glänzenden Augen und seiner hohen Stirn auffiel. Ach! wie viele dieser schönen und tapferen Edelleute, welche damals so voller Zuversicht in der hellen Augustsonne standen, sollten am nächsten Tag schon den Tod finden!
Im Gefolge dieser Männer, denen der König und Coligny, noch immer auf die bereits vermeldete freundschaftliche Art plaudernd, voranschritten, trat ich in das Ballhaus ein, als mir jemand auf die Schulter klopfte. Ich wandte mich um und erblickte Fogacer, der mit leiser Stimme sprach:
» Mi fili
, ich komme, Abschied von Euch zu nehmen, und bin sehr traurig, daß ich Euer helles Angesicht nicht mehr werde schauen können. Ich stehe kurz vor meinem Aufbruch.«
»Und wohin wollt Ihr ziehen?« fragte ich erstaunt.
»Wohin, weiß ich nicht«, antwortete Fogacer, »obgleich ich dem Herzog mitgeteilt, ich wolle meine leidende Mutter im Languedoc besuchen, welche indes – die Wahrheit zu sprechen – schon in meinen Kinderjahren das Zeitliche gesegnet hat. Ich werde ziehen, wohin es mich treibt.«
»Wie!« rief ich, »ganz ohne Ziel?«
»Nun, so ganz ohne Ziel nicht. Ich bin«, flüsterte er, »einem kleinen Gaukler begegnet, welcher mich auf seinem Schaugerüst an der Meuniers-Brücke mit seinen Kunststücken verzaubert hat und der so voller Anmut und Liebreiz ist, daß er den heiligen Hieronymus verführen könnte, der über den Tod und die Sünden der Welt meditiert. Ihr kennt die meinen.
Trahit
sua quemque voluptas.
1 Der Wunderknabe bricht morgen mit seiner Truppe in die Provinzen auf. Ich folge ihm.«
»Fogacer«, erwiderte ich, »ist solches Tun vernünftig?«
»Ist es vernünftig, meine Tage hier unnütz zu verbringen, wenn ich doch nur von ihm träume?«
Worauf ich nichts zur Antwort gab, da ich solche Träume wohl kannte, wenn auch der Gegenstand der meinigen ein ganz anderer war.
»Fogacer«, sprach ich, »ich wünsche dir alles Glück der Welt.«
Worauf er lachte, um – wie mich deuchte – seine Rührung zu verbergen, und nachdem er mich versichert hatte, er würde, wenn er es könnte, dafür beten, daß ich die Gnade des Königs erhielte, drückte er mich kurz und kraftvoll an seine Brust und ging wie ein hüpfendes Insekt davon. Sein Weggang hinterließ in mir ein Gefühl der Leere, so daß ich mich in diesem fremden Paris unversehens ganz verlassen fühlte, zumal mein Samson in Montfort und mein Quéribus in Saint-Cloud weilten. Und indes ich in solcherart Gedanken versunken war, packte mich jemand, welcher sich als der Ballmeister Delay herausstellte, ungeniert am Arm und sprach scheltend:
»Monsieur de Siorac, was stehet Ihr hier und bietet Maulaffen feil? Eure Angelegenheit ist auf bestem Wege. Wie versprochen, so gehalten! Der König nimmt Euch zu seinem Spielgenossen, nachdem ich ihn versichert, daß
Weitere Kostenlose Bücher