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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ihm den gottgesandten Anführer sahen, der ihrer Partei zum Siege verhelfen würde, daß diese drei Worte genügten, damit Guerchy sein Schluchzen überwand.
    »Ich habe den feigen Anschlag aus nächster Nähe mit angesehen«, sprach er mit fester Stimme. »Ich ging zur Rechten desHerrn Admirals und – ihm meine Achtung zu erweisen – ein wenig hinter ihm. Und dies war schlecht getan«, fuhr er mit einem schmerzlichen Klang in der Stimme fort, »denn wäre ich direkt neben ihm gegangen, hätte ich ihn mit meinem Körper gedeckt.«
    »Fahret fort, Guerchy«, sprach Coligny.
    »Im Gehen las der Herr Admiral einen Brief, und wie ich beobachten konnte, rutschte er ab und zu mit dem Fuß aus seinem Pantoffel, wobei er dann jedesmal den Fuß unter hartem Aufsetzen der Ferse wieder hineinschob, dabei den Körper ein wenig nach hinten neigend, und diese Bewegung rettete ihm das Leben, als von rechts, aus nur wenigen Klaftern Entfernung, auf ihn geschossen ward, aus einem Hause, welches sich unmittelbar an der Mauer des Klosters Saint-Germain-l’Auxer rois erhebt.«
    »Von wo genau ward der Schuß abgefeuert?« fragte Paré.
    »Aus einem vergitterten Fenster, vor dem noch dazu ein Vorhang hing. Als wir mit gezogenem Degen in das Haus stürzten, fanden wir die Kammer leer, doch die noch heiße Arkebuse am Fenster lehnend.«
    »Und wo war dieses Fenster gelegen?«
    »Im Oberstock.«
    »Also«, sprach der Wundarzt, »ist die Kugel schräg von oben nach unten abgefeuert worden, denn der Mordbube hat nicht gewartet, bis der Herr Admiral sich unmittelbar unter dem Fenster befand. Und da nun der Herr Admiral beide Arme leicht erhoben hielt, seinen Brief zu lesen, und den Körper zurückneigte, den Fuß wieder in den Pantoffel zu schieben, traf die Kugel zuerst den Zeigefinger der rechten Hand und fuhr sodann schräg nach unten in den linken Unterarm. Ich vermeine also – auch angesichts der Lage der Wunde –, daß die Kugel zwischen Elle und Speiche, nicht weit entfernt vom Ellenbogen, sitzen muß.«
    Ich gestehe, lieber Leser, daß trotz des Unglücks, welches über uns hereingebrochen und meinen Sinn mit Trauer beschwerte, ich diese Worte mit Beglückung hörte: der Arzt in mir war stärker als der Hugenott. Ich hatte mit Fleiß die berühmte Abhandlung von Ambroise Paré über die Schußverletzungen gelesen und wußte, daß er, als bei der Belagerung Perpignans der Marschall de Brissac von einer Kugel in dasSchulterblatt getroffen ward, die im Körper steckende Kugel ertastet hatte, nachdem er den Patienten in die Lage gebracht, in der selbiger getroffen worden war, und daraus die Bahn des Geschosses ableitete. Hier nun sah ich mit eigenen Augen ein weiteres Beispiel dieses wunderbarlichen Verfahrens, nach dem mit Sicherheit dort geschnitten werden kann, wo die Kugel sitzt, was dem Verletzten viel Schmerz und Blutverlust erspart.
    »Beginnet nur zu schneiden, Monsieur Paré«, sprach Coligny mit zusammengebissenen Zähnen, ohne seine heldenmütige Ruhe zu verlieren noch seine feste Überzeugung, daß diese Prüfung allein von Gott ihm auferlegt sei und ihm somit zur Ehre gereiche. Was er kurze Zeit später auch gegenüber Pastor Merlin äußerte, der ihn in dieser Überzeugung bestärkte, welche nahezu alle Anwesenden teilten und die ich, der ich nicht zustimmen konnte, doch bewundern mußte, denn sie deuchte mich die Wurzel jener Standhaftigkeit und gleichsam römischen Beherrschtheit, welche der Admiral in den Tagen seines Todes zeigte.
    »Herr Admiral«, erwiderte Ambroise Paré, »ich habe meinen Gehilfen meine Instrumente holen geschickt, denn diese grobe Schere taugt nicht zu kunstvollen Schnitten.«
    Kaum hatte er seine Rede geendet, nahte auch schon der Gehilfe, keuchend wie ein Blasebalg, denn er hatte den Weg von der Behausung des Wundarztes in die Rue de Béthisy in schnellstem Lauf zurückgelegt.
    Paré wies den Hauptmann Monins an, sich hinter den Admiral zu stellen und seinen Oberkörper festzuhalten, der Fähnrich Cornaton mußte ihm den linken Oberarm halten und ich selbst die Hand. Nachdem er nun die vorgenannte Stelle abgetastet, tat er dort einen Schnitt mit seinem Skalpell und faßte die Kugel mittels einer kleinen Zange; indes mußte er dreimal ansetzen, ehe er sie herauszuziehen vermochte, da sie fest eingeklemmt zwischen Elle und Speiche saß. Der Admiral ertrug dies alles, ohne zu schreien, zu stöhnen oder in Ohnmacht zu fallen, doch mit totenbleichem Gesicht, über und über mit Schweiß bedeckt.

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