Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
(mei nen traurigen Augen schien die Welt um mich tiefschwarz) mit so schnellem Schritt dahin, daß Miroul mir kaum zu folgen vermochte. ›Ach‹, dachte ich bei mir, ›wenn schon Alizon, die ein so gutherziges Frauenzimmer ist, solch blutrünstige Gedanken hegt und für gerecht hält, wie mag es dann erst um die anderen in dieser großen Stadt bestellt sein?‹
»Aber Moussu, was ist Euch?« sprach Miroul, da er sah, wie mir die Tränen über das Gesicht rannen, »hat es Zank und Streit gegeben zwischen Euch und Alizon?«
Eine lange Zeit schritt ich dahin, ohne ihm zu antworten, indesdie Vorübergehenden mich auf höchst verdächtige Weise ob meiner Erregung musterten; doch als wir schließlich an der Rue de Béthisy anlangten, die wie ein klein Genf anmutete ob der großen Anzahl von Hugenotten, welche unaufhörlich in das Haus des Admirals strömten oder herauskamen, und ich mich inmitten der Meinigen mehr in Sicherheit fühlte, berichtete ich ihm, was vorgefallen.
»Oh, Moussu!« erwiderte er, »Ihr seid zu heißblütig! Es war sehr unklug, dieser schmucken Jungfer Euern Glauben zu offenbaren. Wenn der Aufruhr ausbricht, wird uns Meister Recroche, nachdem er den Braten gerochen, nicht mehr in sein Haus einlassen. Und wo finden wir dann Unterschlupf, das Ende des Gewitters abzuwarten, da Dame du Luc und Monsieur de Quéribus sich in Saint-Cloud befinden und der gelehrte Doktor Fogacer seinem kleinen Gaukler nachläuft? Indem Ihr Euch Alizon entdecktet, habt Ihr uns der letzten Zuflucht beraubt!«
Worauf ich mit keiner Silbe antwortete, mich damit begnügend, eine unnahbare und finstere Miene aufzusetzen. Solcherart bezeugte ich meinem wackeren Miroul meinen Unwillen, weil er mich wieder einmal bei einer Unbedachtheit ertappt hatte. So ist die menschliche Torheit: noch in unserer schier ausweglosen Lage dünkte ich mich noch erhaben über meinen Diener.
Das Haus des Admirals schien in der Tat – wie Delay so treffend gesagt – einem Hornissennest zu gleichen, in welches ein Lausbub mit dem Stock gefahren ist. Allein, es handelte sich nur um wildes Wortgebrumm, welches in keinen Entschluß, in keine Tat mündete, denn in ihrem Vertrauen auf die Redlichkeit des Königs waren die Oberhäupter einem Aufbruch noch immer abgeneigt.
Monsieur de Mazille berichtete mir, der Admiral habe im Schlaf einige Erquickung gefunden, sein Fieber sei gehörig gesunken; er seinerseits warte nun auf das Kommen von Ambroise Paré, damit die Verbände gewechselt werden könnten, welche Arbeit und Verrichtung uns zu dritt gewißlich leichtfallen würde. Es tat mir gar wohl, indes Monsieur de Mazille also sprach, sein ernstes und aufrichtiges Angesicht zu betrachten, denn er schien mir wie Pierre de l’Etoile ein Papist ohne jeden blinden Eifer zu sein, welcher im andern den Nächsten sah, unabhängig von seinem Glauben.
Indes ich die Umstehenden grüßte, küßte ich auch Madame de Téligny die Hand und drückte ihr meine Freude darob aus, daß die Heilung des Admirals gute Fortschritte mache, wofür sie mir, den Kopf anmutig zur Seite geneigt, mit einer Stimme, die etwas von einem klagenden Flötenton hatte, artig dankte.
Außer Madame de Téligny befanden sich in dem Gemach noch Yolet, der Diener des Admirals, Nicolas Muss, sein Dolmetsch für die deutsche Sprache, der Fahnenjunker Cornaton, Pastor Merlin und Herr von Ferrières, welchem ich in einer Fensternische berichtete, was ich am Morgen von Recroche und Alizon gehört: daß nämlich die papistischen Pfaffen die Pariser aufstachelten, indem sie das Gerücht verbreiteten, wir wollten die Guisen angreifen, und daß sich Paris hinter verschlossenen Fensterläden bewaffne, indes die Unterviertels- und Straßenmeister die Häuser der Unseren kennzeichnen.
»Oh, Monsieur de Siorac!« erwiderte Herr von Ferrières mit seiner tiefen, volltönenden Stimme, welche mich angesichts seiner kleinen, dünnen Gestalt immer von neuem erstaunte, »es ist in der Tat ganz augenscheinlich, daß diese schreckliche Stadt über uns herfallen will. Und was können wir dann ausrichten, da wir doch nur dreitausend sind, sie aber dreihunderttausend? Die Anzeichen eines Sturmes mehren sich von Stunde zu Stunde. Wisset Ihr, daß Montmorency, welcher als Gouverneur von Paris für Ruhe und Ordnung zu sorgen hätte, es für zweckmäßig erachtete, die Stadt zu verlassen und seine Mutter zu besuchen?«
»Aber er ist doch«, erwiderte ich, »ein Vetter Colignys und dessen Freund.«
»Gewiß, aber er
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