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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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greifen.«
    »Was! Ohne die Einwilligung des Königs?«
    »Diesmal könnte es schon geschehen, daß wir drauf pfeifen, falls unser dummer König sich weiterhin auf die Seite des Admirals stellt.«
    Diese Worte versetzten mich in große Furcht, und da ich fürchtete, sie könnte sich auf meinem Gesicht widerspiegeln, begann ich zu lachen und sprach:
    »Wie kommt es dann aber, daß auch Meister Recroche sich so mutig zeigt und nach den Waffen greift?«
    »Mutig, dieser Geizkragen?« erwiderte Alizon mit einemAusdruck tiefster Verachtung, »der ist doch nur auf Beute versessen! Bei der Belagerung der Stadt hat ihn keiner an Orten gesehen, wo er etwas hätte abbekommen können. Ihr könnt sicher sein, mein Pierre: wenn heute oder morgen ein Volksaufruhr ausbricht, wird er sich eifrig die Taschen füllen, aber niemanden niedermachen, ausgenommen vielleicht die Weiber und Kinder dieser Hugenottenhunde.«
    »Was?« schrie ich, höchstlich betroffen. Und mich aufrichtend, sprach ich mit zitternden Lippen, so daß die Worte nur mühsam über meine Lippen kamen (zumal mir auch die Kehle wie zugeschnürt war):
    »Alizon, was höre ich aus deinem Munde? Die Weiber und Kinder? Will man die auch töten? Ist das nicht schändlich und unbarmherzig?«
    »So dachte ich«, erwiderte Alizon nicht ohne einige Scham, »doch der gute Pfarrer Maillard sagt: nein, dem wäre nicht so, in diesem Falle müsse man ganz erbarmungslos sein, denn Gott selbst habe befohlen, das Geschmeiß ein für allemal auszutilgen samt der Weiber- und Kinderbrut.«
    »Oh, Alizon!« schrie ich, meiner Entrüstung freien Lauf lassend, »sind es nicht Weiber wie du und Kinder wie dein kleiner Henriot, der nur durch den Zufall seiner Geburt katholisch ist, indes das Schicksal die anderen als Hugenottenkinder hat auf die Welt kommen lassen? Wenn man sie deshalb umbringen muß, dann irrt die Heilige Schrift, und Herodes hätte recht gehabt mit dem Mord an den unschuldigen Kindlein!«
    »Aber mein Pierre«, sprach da Alizon, ganz betrübt, daß ihre Worte soviel Kümmernis und Zorn in mir geweckt hatten, »wenn wir sie nicht töten, dann werden sie uns umbringen!«
    »Und wie sollten sie das, du Törin, wo sie nur von so geringer Zahl sind, dazu den König gegen sich haben, seine Regimenter und die große Mehrheit des Volkes?«
    »Tun sie denn anderes als unsere Kinder umbringen, wenn sie, wie in Euern Provinzen, die Stärkeren sind?«
    »Oh, Alizon!« erwiderte ich, »ein wildes Tier wie der Baron von Adrets mag solche Grausamkeiten begangen haben, doch glaube ich keineswegs, daß das die Regel ist, denn ich habe die Michelade zu Nismes erlebt und mit eigenen Augen gesehen, wie dort viel katholisches Blut grausam vergossen ward, aber wenigstens die Weiber und Kinder verschont blieben!«
    »Wie!« stieß Alizon entrüstet hervor, »mein Pierre verteidigt diese schändlichen Ketzer?«
    »Ich habe gute Gründe dafür!« schrie ich nun, denn mein Zorn loderte unversehens so hoch in mir, daß ich alle Vernunft vergaß. »Ich habe es dir bis jetzt verschwiegen, Alizon, um deinen Glaubenseifer nicht zu stören, doch wisse: ich bin einer dieser Hunde, von denen du sprichst, und du hättest es eigentlich bemerken müssen«, fügte ich bitter hinzu, »an meiner hündischen Art, mit dir und dem kleinen Henriot umzugehen. Meine Mutter hat mich bis zu meinem zehnten Lebensjahr in der katholischen Religion erzogen, dann ward ich von meinem Vater eilends zum reformierten Glauben bekehrt, und so stehe ich nun hier vor deinen Augen als Ketzerhund, Abgesandter der Hölle, Geschmeiß und Schlangenbrut, als einer, der den Scheiterhaufen und was weiß ich verdient.«
    »Gemach, mein Pierre, nicht so laut! Die Wände haben Ohren, und wenn die Nachbarn dich hören, hauen sie dich auf der Stelle in Stücke!«
    »Warum tust du es nicht selbst?« In rasendem Zorn zog ich meinen Dolch und hielt ihn ihr entgegen. »Worauf wartest du noch? Dann gäbe es einen dieser Hunde weniger, und dazu wäre dir der Himmel sicher, ohne daß du durchs Fegefeuer müßtest, wie es dein guter Pfarrer Maillot so trefflich in seinen Predigten verkündigt.«
    Indes sie voller Bestürzung, sprachlos, die Augen starr vor Schrecken, Schritt um Schritt vor meinem Dolch zurückwich, steckte ich diesen wieder zurück und verließ sie ohne einen Gruß noch Blick, so erfüllt von Grimm und Schmerz, daß ich die Stufen kaum sah, die ich wie von Sinnen hinabjagte. Kaum war ich auf der Straße, eilte ich in meiner Verzweiflung

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