Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Stunden gar bitter bereuen sollte.
»Giacomi, mein Bruder«, hub ich nach diesem Schmause an, »die Zeit ist gekommen, uns zu trennen. Miroul und ich werden fliehen müssen, und es wäre ungerecht, wenn du als Papist unser ungewisses Schicksal teilen solltest. So Gott will und wir heil und gesund überleben, werden wir uns dann auf Mespech wiedersehen.«
»Mein Herr Bruder«, erwiderte Giacomi ernst, doch selbst im Ernst bewahrte er die ihm eigene heitere Miene, »haltet Ihr mich für so niedrig, daß ich Euch in der Stunde der Gefahr verlasse? O nein! Mein Degen wird meinen Freunden in der Not nicht untreu. Zudem habe ich Euerm Herrn Vater geschworen, Euch im Kampf auf der Rechten Schutz und Deckung zu geben, so wie Miroul auf der Linken. Ich werde mich jetzt zumeinen Fechtstunden in den Louvre begeben. Doch wenn es zu einem Ausbruch von Gewalt kommt, worauf alles hindeutet, dann wollen wir uns auf dem Grève-Platz treffen, da uns das Haus dieses gemeinen Recroche verschlossen ist.
Nachdem wir dies beschlossen, umarmten wir uns mit Tränen auf den Wangen gar herzlich, denn es war gänzlich ungewiß, ob einer den anderen in dieser grausamen Welt je wiedersehen würde. Indes Giacomi davonging, sah ich ihm mit traurigem Sinne nach, jedoch getröstet, daß sein Herz mir in den Stürmen der Zeit treu blieb, dem meinen wie mit ehernen Banden verhaftet.
Wir unserseits machten uns wieder auf den Weg in die Rue de Béthisy, wobei Miroul, um meinen Sinn von den Sorgen abzulenken, mir die Namen all der Straßen nannte, durch die wir gingen, denn er kannte sich genau aus in dieser großen Stadt, welche er immer wieder durchstreift hatte, indes ich mit meinem Quéribus im Louvre weilte. Als wir uns dem Haus des Admirals näherten, verabsäumte er nicht, mich wiederum zu drängen, meinen Abschied zu nehmen, damit wir uns endlich aus dem Staube machen könnten. Worauf ich indes mit keiner Silbe antwortete, denn ich hatte noch keinen Entschluß gefaßt.
Kaum war ich in das Haus eingetreten, vermeldete mir der Fahnenjunker Cornaton, daß ich in seiner Kammer erwartet würde, allwo sich wiederum die wichtigsten Führer der Protestanten versammelt hatten. Ich begab mich ungesäumt in selbige Kammer, darinnen Monsieur de Téligny und Jean de Ferrières gerade in einer großen Disputation begriffen waren und der letztere mit ungewohnter Heftigkeit dafür eintrat, daß man Paris unverzüglich verlassen müsse, da sich der Volkszorn jeden Augenblick gegen uns entladen könne und man des Beistandes des Königs nicht mehr sicher sei. In diesem Augenblick ward der Vitzdom von Chartres meiner gewahr und bat mich, Zeugnis davon zu geben, was ich in der Rue de la Ferronnerie im Hause von Meister Recroche, in der Rue Tirechappe bei Alizon und in der Rue de la Truanderie aus dem Munde der Hausmagd gehört. Dies tat ich sogleich.
»Gleichwohl«, erwiderte der sanfte, gutherzige Téligny, »gilt jetzt als sicher, daß der Hof nicht mit dem Büchsenschuß in Verbindung zu bringen ist, denn die zur Untersuchung bestellten Richter haben den Mann verhört, welcher dem Mordbubendas Pferd zur Flucht bereithielt, und dieser hat gestanden, daß er im Auftrag der Guisen handelte.«
»Trotzdem«, ließ sich mein Vetter Geoffroy de Caumont vernehmen, »kann es wohl sein, daß bei dem Mordanschlag mehrere Hände im Spiel sind. Wisset Ihr, Téligny, daß die noch rauchende Arkebuse, welche Guerchy neben dem vergitterten Fenster fand, einem Gardesoldaten des Herzogs von Anjou gehört? Hätte er seine Waffe wohl ohne die Zustimmung seines Herrn aus den Händen gegeben?«
Nach welchen Worten ein langes Schweigen eintrat.
»Der Herzog von Anjou ist nicht der König«, sprach schließlich Téligny, »und Ihr alle wißt, im Gegenteil, wie sehr der König ihn verabscheut. Ich sehe keinerlei Grund und Ursache, am Wohlwollen Karls uns gegenüber zu zweifeln. Aus verläßlicher Quelle weiß ich, daß der Herzog von Guise und sein Oheim, der Herzog von Aumale, die sich beklagten, daß man sie zu Unrecht des Mordanschlags verdächtige, heute morgen den König um Urlaub ersuchten, welchen der König ihnen mit kühlen Worten und finsterer Miene gewährte.«
»Hoho!« erwiderte Jean de Ferrières, »die Herzöge taten nur so, als wollten sie die Stadt verlassen. Sie ritten zum Tore Saint-Antoine hinaus und zum Tore Saint-Denis wieder herein. Hätten sie ein solches tun können, wenn sie nicht mit einflußreichen Leuten am Hof, aus der unmittelbaren Umgebung des
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