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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Königs, unter einer Decke steckten? Und warum sind sie zurückgekehrt, wenn nicht in der Hoffnung, das große Gemetzel an den Unseren anzuführen, sobald der Hof die reißenden Hunde losläßt? Ich frage Euch: Kann man dem Hof noch trauen? Heute mittag sah man Lastenträger Waffen aus dem Zeughaus zum Louvre-Schloß bringen, um welches die Regimenter des Königs Stellung bezogen haben. Wozu dient solches nach Euerm Bedünken?«
    »Gewißlich fürchtet der König einen Angriff auf sein Schloß«, erwiderte Téligny.
    »Bewaffnen sich die Pariser Bürger gegen ihn oder gegen uns?« schrie Jean de Ferrières und hob die Arme zum Himmel in ohnmächtigem Zorn darüber, daß Téligny wider alle Vernunft auf seiner mäßigenden und beschwichtigenden Haltung beharrte.
    Worauf Téligny, alle Warnungen in den Wind schlagend,nicht ohne einige Schärfe sprach, so höflich und sanftmütig, wie er für gewöhnlich war:
    »In der traurigen Lage, in der wir uns befinden, ist es wahrlich nicht angebracht, überall nach Gründen für Mißtrauen und Argwohn zu suchen. Ich bitte, daß man vor allem den Admiral damit verschont.«
    »Verringert sich etwa die Gefahr, wenn man nicht mehr davon spricht?« rief Jean de Ferrières zornig. »Sieht man klarer, wenn man sich das Angesicht verhüllt?«
    Nach diesem Ausbruch verstummte er, aber begreifend, daß seine Worte Téligny nicht umzustimmen vermochten, der sich in seinen Ansichten bestärkt sah durch die Weigerung des Admirals, die Stadt zu verlassen – ein Beginnen, das sich alljetzt, da die Nacht nicht mehr fern war, auch viel schwieriger angelassen hätte als am Vortage –, erhob er sich und sprach mit lauter Stimme:
    »Ich sehe, daß meine Mühe vergebens ist, was mich höchstlich betrübt; denn ich bin sicher, daß sich ein schweres Wetter über unseren Köpfen zusammenbraut.«
    Hierauf schöpfte er Atem und fügte laut und deutlich hinzu:
    »Meine Herren, ich verlasse die Stadt! Und zwar sofort! Wer will, möge umkommen in den Händen des Pöbels! Ich gedenke mein Leben für eine bessere Gelegenheit aufzusparen, denn ich vermeine, es ist töricht und unsinnig, sehenden Auges in die gestellte Falle zu tappen!«
    Nach diesen Worten verließ uns Jean de Ferrières mit meinem Vetter Caumont und zwei oder drei anderen, an deren Namen und Gesichter ich mich nicht mehr erinnere. Der junge La Rochefoucauld, welcher ob seiner Jugend und Schönheit von allen geliebt ward, war unter dem Einfluß der gewichtigen Gründe, die Monsieur de Ferrières vorgetragen, schwankend geworden, ob er ihm folgen solle; doch dann besann er sich, ohne Zweifel wegen der großen Freundschaft, die der König ihm bezeugte. Womit er gar schlecht beraten war, denn derselbe König ließ ihn im Morgengrauen, kaum daß er sich erhoben hatte, von einigen seiner Gefolgsleute umbringen.
    Nachdem uns Jean de Ferrières verlassen, ging ich, nach dem Admiral zu sehen: der lag bequem in seinem Bett, hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig und regelmäßig. Gefolgt von Miroul, der keine Fragen zu stellen wagte, verließ ichdas Haus und lief durch die Rue des Fossés Saint-Germain zum Louvre, wo ich indes nicht eintrat, denn ich wollte in das
Ballhaus zu den fünf Jungfern
.
    Der Ballmeister Delay war nicht anwesend, und ich wandte mich schon enttäuscht zum Gehen, als ich den Anschreiber mit dem kahlen, vernarbten Kopf bemerkte, welcher Samson und mich am Tage der Prozession, die meinem Bruder fast zum Verhängnis geworden wäre, auf seiner kleinen Galerie aufgenommen.
    »Herr Markierer«, sprach ich ihn höflich an (wohl wissend, daß der gute Mann sich nicht wenig auf seinen vormaligen Soldatenstand einbildete, welcher so sichtbare Zeichen auf seinem Angesicht, dem Schädel, dem linken Bein, welches aus Holz war, und – wie ich wetten will – auf noch anderen, verborgenen Körperteilen hinterlassen hatte), »erkennet Ihr mich wieder? Ich bin ein Freund des Sergeanten Rabastens.«
    »Monsieur, ich erinnere mich Euer«, erwiderte der Anschreiber. Und setzte seinen Federhut auf seinen glänzenden, von einer langen Wundnarbe überzogenen Schädel, um ihn sogleich vor mir mit einer Verbeugung zu ziehen, deren Tiefe er nach meiner Bedeutung bemaß: der eines Bürgers weit überlegen, jedoch deutlich unter der des Sergeanten Rabastens.
    »Herr Markierer«, fuhr ich fort, »da Ihr vormals in der königlichen Wache gedient, denke ich, daß Ihr Pferdevermieter von Paris kennen müßtet.«
    Worauf mich Miroul höchst erstaunt,

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