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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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doch ohne ein Wort zu sagen, anblickte.
    »Ich kenne sie alle«, erwiderte der Markierer mit wichtiger Miene. »Es gibt deren vier, nicht mehr. Und da Ihr im Begriffe seid, Paris zu verlassen, wollt Ihr nun von mir wissen, wo sie ihr Gewerbe betreiben. Doch werdet Ihr heute Mühe haben, Monsieur, ein Reittier zu finden, denn seit gestern verlassen gar viele Bürger, katholische und nichtkatholische, die Stadt, um den Wirren des Volksaufruhrs zu entgehen.«
    Was mich – ich hatte daran nicht gedacht – in arge Bestürzung versetzte, doch bat ich den Markierer trotzdem, mir die Häuser der Vermieter anzuzeigen, was er auch willig tat; dabei verriet mir seine Miene, daß er wohl wußte, warum ich es so eilig hatte – »katholisch oder nichtkatholisch« –, aus der Stadt zu kommen, doch war in seiner Aufführung von Groll oderBosheit nichts zu spüren. Gerührt, auf einen Papisten zu treffen, welcher uns nicht haßte und den es nicht gelüstete, unser Blut zu vergießen, ließ ich es meinen Dankesworten nicht an Herzlichkeit fehlen und wollte ihm auch einige Geldstücke verehren, welche er aber ablehnte, mit doppeldeutigem Gesichtsausdruck mir gute Reise wünschend und daß ich heil und gesund meine Provinz erreichen möge. Ich für mein Teil erwiderte, daß ich, sollte ich jemals wieder nach Paris kommen, nicht verfehlen würde, ihn aufzusuchen, denn ich ahnte nicht, daß ich ihn unter unglaublichen Umständen schon vierundzwanzig Stunden später wiedersehen sollte.
    Zu meinem Unglück hatte der Markierer recht: bei den ersten drei Vermietern, welche ich aufsuchte, war nicht der armseligste Klepper mehr zu bekommen. Indes schien mir das Glück beim vierten mehr zu lächeln, welcher sein Gewerbe in der Rue des Lavandières betrieb, ganz in der Nähe der Rue de la Ferronnerie. Und als der Kerl uns in seinem Stalle drei muntere Stuten zeigte, hüpfte mir das Herz vor Freude in der Brust, sah ich uns doch schon frei und gesund aus dieser unheilvollen Falle entkommen, worinnen wir gefangen schienen.
    »Mein edeler Herr«, sprach der Pferdevermieter mit wenig Freundlichkeit, ein großer, dicker Kerl, dessen finsteres Gesicht fast gänzlich von Haarwuchs überzogen war: das schwarze Haupthaar setzte tief in der Stirn an, auf der sich noch die buschigen, in der Mitte zusammengewachsenen Augenbrauen ausbreiteten; ein Schnurrbart mit hängenden Enden verbarg die Lippen, und ein starker Kinnbart wucherte bis zu den Backenknochen hinauf, so daß nur seine Nase ohne Behaarung schien, wenn man das kleine Büschelchen auf der Spitze nicht zählte sowie die aus den Nasenlöchern ragenden Borsten. »Mein edeler Herr«, sprach er also, »es würde Euch dreißig Dukaten kosten, wenn Ihr meine drei Gäule bis Montfort-l’Amaury mieten wollt.«
    »Dreißig Dukaten?« rief ich. »Potz Blitz, Euer Preis ist ganz sappermentisch hoch!«
    »Er ist so hoch nicht im Vergleich zu den Gefahren, welche sich zur Stunde zusammenbrauen!« erwiderte der Vermieter, dessen kleine schwarze Augen verschlagen in dem Haargestrüpp blitzten. »Wenn Ihr nicht mieten wollt, so mietet ein anderer. An Kundschaft dürfte es nicht mangeln bei dem Verlauf, den die Dinge nehmen.«
    »Einverstanden also«, erwiderte ich, wohl wissend, daß weiteres Feilschen ohne Zweck wäre, und auch gar nicht vermeinend, daß die dreißig Dukaten ein zu hoher Preis seien, wenn wir damit unser Leben retten konnten.
    »Dies, mein edeler Herr«, sprach da der große Gauner, ohne in den Handel einzuschlagen, »ist aber noch nicht alles. Ihr müßt eine Bürgschaft hinterlegen, welche ich Euch zurückerstatten werde, sobald die Gäule beim Schmied von Montfortl’Amaury im Stalle stehen.«
    »Eine Bürgschaft!« entgegnete ich höchst verwundert, »und weshalb?«
    »Weil es in diesen unruhigen Zeiten geschehen könnte, daß die Reiter umgebracht und meine Gäule geraubt werden.«
    Diese Worte sprach er mit einem argwöhnischen Ausdruck in seinen kleinen schwarzen Augen, so daß ich besorgte, er vermute auf Grund meiner Eile einen Hugenotten in mir, obzwar ich in meinem perlenbesetzten Wams reich gekleidet war und mehr nach einem Hofkavalier aussah denn nach einem Getreuen Calvins.
    »Und wie hoch setzet Ihr die Bürgschaftssumme an?«
    »Dreihundert Dukaten.«
    »Dreihundert Dukaten! potz Blitz, das ist ein ungeheueres Stück Geld! Der Verkauf Eurer drei Rösser brächte nicht die Hälfte!«
    »Wohl möglich«, entgegnete der Halsabschneider kühl, »doch für weniger vermiete ich sie

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