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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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vegetabilischen Mauern hin und her bewegte, denn der Geruch dieser Gewächse ist gesund und stärkend, wohltuend für Herz, Leber und Geschlechtsteile, dazu ohne jeden Zweifel heilkräftig; auch erfreute es das Volk, welches hier zusammengekommen, so riesige Mengen an Nahrung aufgehäuft zu sehen, welche der Schöpfer in seiner übergroßen Güte und Barmherzigkeit aus der guten Erde des Languedoc hatte wachsen lassen, auf daß alle, einschließlich der am wenigsten Bemittelten, gewiß sein konnten, den Winter über etwas zu beißen zu haben. Denn ein Zwiebelzopf kostet nur zwei Sols, und für die Ärmsten ist eine dieser guten Früchte zusammen mit einem Kanten Brot schon ein ganzes Mahl.
    Vor diesen Zwiebelbauten standen, ein jeder stolz auf seine Früchte, die Bauersleute, welche sie gesäet und geerntet, und priesen sie ohne Unterlaß in Okzitanisch an, die Käufer herbeizulocken:
     
    »Zwiebeln, gute Zwiebeln!«
     
    oder:
    »Wer Zwiebel nimmt, nimmt Arzenei!«
     
    oder:
    »Viel Zwiebel auf dem Tisch macht langes Leben!«
     
    oder auch:
    »Ißt Zwiebeln viel und Lauch der Mann,
    dem Weibe er’s trefflich besorgen kann.«
     
    Höchlichst erfreut, an diesem Tage in klingender Münze den Lohn für ihre Mühen einnehmen zu können, hatten die Landleute trotzdem ein wachsames Auge und hielten in ihren Händen lange Gerten, womit sie geschickt nach denen schlugen, die versuchten, im Gedränge lange Finger zu machen und auch nur das kleinste Zwiebelchen zu entwenden. Doch die Gertenhiebe gegen diese kleinen Gauner trafen nicht hart, wurden ausgeteilt ohne Zorn und Schimpfworte, in der unbeschwerten heiteren Art der Menschen des platten Landes.
    Der Zwiebelmarkt wird abgehalten am 24sten August, dem Tag des heiligen Bartholomäus, welcher sich damals für uns Hugenotten in nichts unterschied von all den anderen papistischen Heiligen, deren abergläubischen Kult wir abgeschafft hatten; doch sollte, wie ich noch vermelden werde, derselbe Heilige ein Jahr später für uns auf ewig Anlaß zu höchstem Grauen und Abscheu werden.
    Mein prächtiger Bruder Samson liebte den Apothekerstand derart, daß er sich vor Freude kaum zu lassen wußte, da er nach so vielen Jahren voller Mühen zum Meister ernannt ward. Während des Umzuges, welcher auf seine bestandenen Prüfungen folgte, wurde er gemäß dem Brauche hoch zu Roß in großer Begleitung durch die Stadt geführt. Und indes er so dahinritt, über alle Maßen schön von Angesicht und Gestalt, hörte ich etliche Leute sagen, es wäre Jammer und Schade, daß er Hugenott sei, wo er doch ganz aussähe wie der Erzengel Michael auf einem Kirchenfenster. Ich überlasse dem Leser, sich das Aufsehen auszumalen, welches er unter den Frauenzimmern verursachte, die, in Scharen herbeigelaufen, ihn mit den Augen verschlangen. Wiewohl die Bewohnerinnen von Montpellier
omnium consensu
1 als die hübschesten Weiber im ganzen Königreich gelten, nahm mein treuherziger Samson die feurigen Blicke, welche ihm die Wangen streichelten, nicht einmal wahr, hatte er doch Liebesgedanken nur für die Dame Gertrude du Luc, welcher, kaum daß wir in unser Quartier zurückgekehrt, er mich bat, in einem langen Brief den
actus triumphalis
zu schildern, dessen Hauptperson er gewesen; nicht daß er des Schreibens unkundig, sondern da seine Ausdrucksweise kurz und knapp wie die auf einem Rezept war. Worin ich nach einigem Widerstreben schließlich einwilligte, obgleich ich nicht geringen Groll hegte gegen das Vögelchen, welches, nicht zufrieden, sich in den Azur zu erheben, hier auch auf dem Mist scharren wollte! Der Teufel soll sie holen! Mit einem Hauptmann des Herrn de Joyeuse Hurerei zu treiben, kaum daß sie sich aus der Umarmung meines lieben Samson gelöst hatte! Ist das recht gehandelt, ehrsam und treu? Ha! ich hätte die Metze umbringen mögen ob ihrer Treulosigkeit! Welche mein vielgeliebter Samson in seiner Unschuld gar nicht gewahrte und die ich ihm auch nicht entdeckte, da ich seinem edlen Herzen den Schmerz ersparen wollte.
    Ich selbst erlangte den Doktorgrad am 14ten April im Jahre des Herrn 1572. Um die Wahrheit zu gestehen, mir war ganz sappermentisch bange zumute vor den
triduanes
, den Examina, welche so genannt, da sie drei Tage währen, an denen ich vormittags und nachmittags meine Thesen verteidigen und auf Latein disputieren mußte, nicht nur mit den vier königlichen Professores, sondern auch mit den ordentlichen Doctores, davon zu solchen Gelegenheiten einige sich präparierten,

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