Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
hochmütige Herrscher fordert, daß der Heiratskontrakt seines Vetters, des Königs von Frankreich, eine Viertelstunde später als der seinige unterzeichnet werde! Ha, mein Freund! Die jüngere der beiden Herzoginnen und diese Viertelstunde! Welche Schmach! Liegt da nicht die Versuchung nahe, sich an dem anmaßenden Spanier und dem Guise – jedesmal wieder wie ein Phönix aus der Asche aufsteigt? Und so wird eiligst der Friede zu Saint-Germain ausgehandelt, aufgesetzt und unterzeichnet, welcher mir recht vorteilhaft für die Euren zu sein dünkt, so ihn beide Seiten nur einhalten.‹
Mein Herr Vater«, sprach ich, »urteilt d’Argence recht? Gereicht dieser Friede den Hugenotten zum Vorteil?«
»Keineswegs«, sprach Jean de Siorac, der hinter mir stand und mir seine kräftigen Hände auf die Schultern legte, »kei neswegs , mein Pierre, er gewährt zwar Religionsfreiheit, jedoch ist die freie Ausübung des Gottesdienstes auf die Burgen und auf zwei Städte in jedem Gouvernement begrenzt. Und was ist die Freiheit des Glaubens wert, wenn dessen Ausübung nicht frei und unbeschränkt ist? Deshalb verspreche ich mir nicht viel von diesem Frieden zu Saint-Germain: der Krieg mit den Papisten wird bald wieder aufflammen.«
ZWEITES KAPITEL
Die Ruhepause sollte dennoch zwei Jahre dauern. Möge der Leser mir verzeihen, wenn ich mit verhängten Zügeln durch diese zwei Jahre galoppiere, denn es drängt mich, über die wundersame Reise und die große Gefahr zu berichten, die mich aus meinem heimatlichen Périgord hinwegführte, in Paris die Gnade des Königs zu erbitten.
Mein geliebter Samson erhielt im August Anno Domini 1571 den Meisterbrief als Apotheker, welche Begebenheit in meiner Erinnerung untrennbar verbunden ist mit dem berühmten Zwiebelmarkt, der am selben Tage zu Montpellier abgehalten wurde und den ich das Glück hatte zu entdecken, während mein Bruder mit beträchtlichen Kosten jenen Theriaktrank herstellte, für den mehr als siebenundzwanzig verschiedene Elemente und Substanzen gebraucht werden und dessen Rezeptur so geheimgehalten und gehütet wird, daß es niemandem – sei er gleich Arzt – gestattet ist, bei seiner Herstellung zugegen zu sein, denn der Anblick dieser Geheimnisse ist allein den Apothekermeistern vorbehalten, die den Kandidaten in ihren Berufsstand aufnehmen.
Während also mein Bruder diese berühmte Medizin herstellte, deren Eigenschaften unübertroffen bei der Heilung zahlreicher Übel sind, schlenderte ich durch die winkligen Straßen von Montpellier, und die Sonne brannte mit einer Stärke, daß schier die Fliegen tot zu Boden fielen (obgleich man Rohrmatten von Haus zu Haus gespannt hatte, die Kraft der Sonne zu mildern). Da bot sich meinem Auge auf der Place Canourgue ein wundersames Bild, wie ich es an keinem Ort je wieder erblickte: eine Stadt ganz aus Zwiebeln gebaut.
Diese Feldfrüchte werden im Sarladischen Land lose verkauft, hier jedoch flicht man sie kunstvoll zu Zöpfen. Diese wiederum werden gebündelt und die Bündel dergestalt übereinandergestapelt, daß wahre Wände von zehn Fuß Höhe entstehen, zwischen welchen enge Durchgänge verbleiben undder ganze Platz in eine Stadt verwandelt wird, darinnen man zwischen würzig riechenden Mauern umherschreiten kann. Und die Zahl der von diesen Mauern gebildeten Gassen und Gäßchen ist so groß, daß man sich darin verlaufen kann wie in einem Labyrinthe. Dies alles ergötzte mich gar sehr, der ich noch nie eine so ungeheure Menge von diesem Gemüse gesehen hatte, welches im Languedoc roh oder gekocht zur täglichen Nahrung gehört, aus welchem Grunde die Stadtleute an diesem Tage einen Vorrat davon kauften, der für den ganzen Winter reichen sollte. Doch mehr noch als die Menge setzte mich die unendliche Vielfalt dieser Früchte in Erstaunen: alle bekannten Arten waren zu sehen, von jeglicher Größe, Beschaffenheit und Farbe: gelbe und rote, manche faustgroß, andere von der Größe einer Aprikose, wieder andere ganz klein, diese dann von weißer Farbe und süßlichem Geschmack.
Zwei gute Stunden verweilte ich dort, so sehr ergötzte mich der Anblick all dessen. Auch an dem bunten Gewimmel erfreute sich mein Auge, denn es war eine große Menge Volkes in der Zwiebelstadt zusammengeströmt: Mägdelein und Hausfrauen, welche kaufen wollten, ebenso wie Bauernburschen und Gaffer, die nur Kurzweil und Ergötzung suchten. Und welch fröhlichen Mutes war die Menge, die sich lachend und lärmend zwischen diesen
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