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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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offenherzig und gutmütig von Kopf bis Fuß.
    Er hub schon an zu sprechen, doch schien er sich plötzlich anders zu besinnen.
    »Ehrwürdiger Doktor, um des Himmels willen, sprecht!«
    »Ich weiß nicht«, sprach er, seine dunklen Augen voller Sanftheit und Verschmitztheit auf mich richtend, »ob ich es sagen soll.«
    »Um des Himmels willen, sagt es.«
    »Pierre, werdet Ihr jemals zu einem anderen davon sprechen?«
    »Bei meiner Seele, nein!«
    »Pierre, ich vermeine, dem Doktoranden hinterhältige Fragen zu schwierigen, umstrittenen und obskuren Themata zu stellen, ist ein gar verwerflich Unterfangen. Stimmet Ihr dem zu?«
    »Ei, ganz gewiß.«
    »Pierre, auf eine List anderthalbe.«
    »Sehr wohl.«
    »Pierre, höret gut zu. Der Mann, um welchen es sich handelt, tut sich groß mit dem Griechischen, dessen er jedoch gar nicht mächtig ist. Er zitiert, aber ohne Verstand. Pierre, memorieret also bis morgen etliche Abschnitte aus den Texten des Hippokrates und des Galenus, und wenn der Kerl Euch bei den triduanes eine Frage stellt, auf welche Ihr keine Antwort wisset, so saget unbeirrt eines Eurer griechischen Sprüchlein auf, mit triumphierender Miene.«
    »Wie!« sprach ich, »auch wenn der griechische Text in keinerlei Zusammenhang zu der Frage steht?«
    »Gewiß! das ist ja gerade der Witz der Sache. Rabelais verfuhr nicht anders mit seinen verschlagenen Widersachern! Und beherrschten selbige das Griechische, so überschüttete er sie mit Hebräisch!«
    »Ei«, rief ich aus, »welch ergötzliches Possenspiel, welch trefflicher Spaß!«
    Worauf Doktor d’Ássas und ich, über unsere Becher hinweg uns vielsagend anblickend, in ein homerisches Gelächter ausbrachen.
    Am selbigen Tage brachte ich mein Scherflein noch zu den Doktoren Pinarelle, Pennedepié und de la Vérune, welche keine königlichen Professoren, sondern nur ordentliche Doktoren waren, die einige Vorlesungen an der Schule gaben und die der Kanzler Saporta allein aus Höflichkeit in mein Prüfungskollegium aufgenommen, worauf ich gern verzichtet hätte, da ihre Anwesenheit mich sechs Dukaten und dreißig Sols kostete, welche Summe das Honorar für meine Examinatores auf dreiundvierzig Dukaten erhöhte.
    Doch damit nicht genug! Am Tage vor meinen
triduanes
ließ ich jedem der Doktoren, welchen ich zuvor schon vorgemeldetes hübsches Sümmchen eingehändigt hatte, noch die Gaben und Geschenke überbringen, welche seit undenklichen Zeiten durch die Gebräuche der Schule in Art und Menge wie folgt festgelegt waren:
    Erstens:
ein Marzipanbrot von mindestens vier Pfund, reichlich bestrichen mit Mandelpastete und gefüllt mit kandierten Früchten.
    Zweitens:
zwei Pfund Zuckerwerk.
    Drittens:
zwei Kerzen aus gutem wohlriechendem Wachs von der Dicke eines Zolls.
    Viertens:
ein Paar Handschuhe.
    Diese Ehrengeschenke wurden vom Pedell Figairasse in die Häuser der sieben Doctores gebracht, und ich händigte ihm zwei Dukaten und zwanzig Sols ein als Lohn für selbige Besorgung dafür, daß er während meiner
triduanes
das Publikum in den Festsaal einlasse und plaziere, auch die Schulglocke zu meiner Ehre läute, wenn ich zum Doktor ernennet würde, und schließlich bei meinem Umritt durch die Stadt mit der Hellebarde vor meinem Pferd einherschreite.
    Auch hatte ich gemäß Sitte und Gebrauch vier Musikanten gedungen, welche Querpfeife, Trommel, Trompete und Viole spielten, und führte sie zu Sonnenuntergang am Abend vor meinen
triduanes
unter die Fenster der besagten Doctores, diesen ein Ständchen zu bringen. Fast alle öffneten sie huldvoll ihr Fenster, sich zu zeigen; sie warfen den Musikanten, welche von mir schon reichlich Lohn erhalten, einige Münzen zu und erwiderten meinen tiefen Bückling, indes ihre Gattinnen höflich in die Hände klatschten. Nur bei Saporta zeigte sich – gewiß auf Geheiß ihres Herrn und Gemahls – Thyphema nicht. Und Doktor Bazins Wohnung schließlich blieb so verschlossen wie das Herz des Geizhalses, welcher damit sicherlich zeigen wollte, wie sehr er mich verabscheute. Schließlich verabschiedete ich die Musikanten, nicht ohne sie vorher noch für den Umritt zu bestellen, welcher in drei Tagen stattfinden würde und bei dem sie, noch vor dem Pedell an der Spitze des Zuges schreitend, lustige Weisen spielen sollten, welche dem Anlaß angemessen.
    Oh, Leser! Glaube nicht, daß nach all dem Musizieren schon das Ende meiner Kosten, Ausgaben und Aufwendungen ereicht wäre, sosehr es mir auch mein hugenottisch Herz abdrückte, meinen

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