Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
heimtückische und hinterhältige Fallen zu stellen in dem Bestreben, sich auf Kosten des Kandidaten hervorzutun.
Da ich jedoch fleißigst studiert und über meinen Büchern gesessen, auch seziert und dazu noch seit zwei Jahren – in Vertretung meines »Vaters« Saporta – keine geringe Zahl von Kranken examiniert und behandelt hatte, verließ mich mein Vertrauen in mein Wissen nicht ganz. Allein, ich sorgte mich nicht nur wegen der
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, sondern auch weil es mir an Geld mangelte, das üppige Festmahl zur Feier der Verleihung des höchsten Grades entsprechend den Gebräuchen der Medizinischen Schule gebührend ausrichten zu lassen. Gewiß, ich hätte meinem Vater schreiben können, doch es widerstrebte mir, eine solche Menge schönen Geldes von ihm zu fordern,und nachdem ich die Sache in meinem Kopf nach allen Seiten gedreht und gewendet, beschloß ich, mich Madame de Joyeuse anzuvertrauen, während wir nach einer gemeinsamen Lektion unserer »Schule der Verzückung« hinter dem blauen Vorhang ihres Himmelbettes eine Atempause einlegten.
»Was höre ich da?« sprach die hohe Dame. »Es mangelt Euch an Geld? Warum habt Ihr mir das verschwiegen? Soll es meinem kleinen Vetter versagt sein, sich seines Standes ebenso würdig zu zeigen wie jeder andere? Aglaé de Mérol wird Euch unverzüglich hundert Dukaten einhändigen.«
»Oh, Madame!« rief ich, »wie dankbar bin ich Euch für Eure wunderbare Güte. Ihr seid so hochherzig wie schön. Mein ganzes Herz und auch mein ganzer Körper – werden Euch dafür auf ewig höchsten Dank wissen.«
Dies sagend, küßte ich wieder und wieder ihre liebreizenden Hände, voller Wohlgeruch von Balsam und Essenzen und geübter im Kosen als alle anderen Frauenhände in diesem Königreiche.
»Oh, mein Liebling!« sprach Madame de Joyeuse, welche jugendliche Frische über alles liebte und mit höchstem Schrecken die Vorboten des Alters nahen sah, »sagt mir nicht Dank, es ist nichts als ein wenig Gold, das mir wenig bedeutet angesichts der Wohlhabenheit meines Vaters! Denn Ihr, mein Pierre, gebt mir unendlich mehr, als ich Euch zu geben vermag, alt und häßlich, wie ich bin.«
»Alt, Madame! Häßlich!«
Und wahrlich, sie war weder das eine noch das andere, sondern höchst bezaubernd in ihrer reifen üppigen Schönheit, was ich ihr in wohlgesetzten Worten zu sagen wußte und auch mit solch überzeugender Kraft, daß sie schließlich, in meinen Armen dahinschmelzend, mir in einem Ton süßer Tyrannei verlangend ins Ohr flüsterte: »Mein Liebling, macht mit mir, was ich so mag!« Ha! wie liebte ich sie damals ob ihrer unendlichen Güte und auch darob, daß sie mir solche Macht über sich gab!
Als die hundert Dukaten lustig klingend aus ihrer Schatulle in meinen Beutel wanderten, sprach die schöne Aglaé de Mérol, welche sie mir in einem Salon einhändigte, worinnen wir uns allein befanden (sie war eine muntere Jungfer voller Mutwillen, die mich gern neckte):
»Was ist mir das? Schon wieder eine Zuwendung? Ihr kostet uns nicht wenig, so vermein ich! Fast so viel wie Monsieur de Joyeuse! Doch dafür seid Ihr auch von größerer Dienstfertigkeit!«
»Aber Madame!«
»Kein Aber! Dieser große Mann hat den Fehler, niemals dazusein, so beschäftigt ist er, einem jeden Weiberrock in seinem Amtsbezirk nachzulaufen. Ihr aber, ehrwürdiger Doktor und Medicus, seid da, sooft man will, und scheuet keinerlei Mühe bei Euren vortrefflichen Behandlungen!«
»Madame!« sprach ich, »Ihr versetzt mich in Verwunderung! Sind das die Spötteleien einer Jungfrau?«
»Mein Herr«, sprach sie, »wie Ihr wißt, bin ich Jungfrau, nicht weil mir dies gefiele, sondern weil ich gemäß meinem Stande nur einen Mann mit einem jährlichen Einkommen von fünfzigtausend Livres zur Ehe nehmen könnte und es von solchen Männern in unseren Landen nur drei oder vier gibt, welche mir alle höchst wenig zusagen.«
»Madame«, sprach ich, die kleine Tändelei mit ihr fortsetzend, »habe ich Euch nicht schon gesagt, daß ich Euch zur Frau nehmen will, sobald ich fünfzigtausend Livres Einkommen habe?«
»Die werdet Ihr aber nie haben!« sprach sie lachend, denn sie hörte solche Worte gern. »Und außerdem weiß ich wohl, daß Ihr ganz vernarrt in Eure Angelina seid und Euer Herz so beständig ist wie Euer Leib unbeständig, welchen es immerfort wie einen Schmetterling von einer Blume zur anderen zieht.«
»Solches denkt Ihr von mir?«
»Leugnet nicht! Wohin sonst wird dieses Geld fließen, wenn nicht
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