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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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daß der Richter sich wacker verteidigt hatte.
    Im unteren Saale überraschten wir ein Dutzend Plünderer bei ihrem rühmlichen Tun, welche wohl Tagelöhner, Lastenträger und Schlachtergesellen aus dem nahen Schlachterviertel waren. Als diese greulichen Kerle uns erblickten, vermeinten sie, wir wollten ihnen die Beute streitig machen, und da wir nur vier waren, gedachten sie uns in ihrer Überzahl zu überwältigen. Allein, es blieb diesen Toren, welche weder Harnisch noch Sturmhaube trugen, nicht einmal die Zeit, ihr leichtfertiges Beginnen zu bereuen, denn Giacomi streckte im Handumdrehen drei von ihnen mit seinem Degen nieder, indes Fröhlich mit seiner Partisane so gewaltig unter ihnen aufräumte, daß ihm wiederum der Schaft entzweibrach, während ich und Miroul die restlichen erledigten, bis auf einen, welcher schlau genug war zu entfliehen.
    »Ei, Fröhlich!« sprach ich, »nun bist du wieder ohne Partisane!«
    »Mein edeler Herr!« erwiderte der wackere Schweizer, »jetzt bin ich es leid!« Und er hob vom Boden eine schwere Eisenkeule auf, welche einem der Schlachtergesellen entfallen war und mit der sie gewöhnlich die Ochsen betäuben. Nachdem er sie prüfend in seiner starken Hand gewogen, wirbelte er das schwere Eisenstück mehrere Male durch die Luft, als wär’s eine Feder, so daß wir in allergrößtes Staunen verfielen.
    In der Küche fanden wir ein Stück Brot und einen Käse, welche das beutegierige Gesindel verschmäht hatte (das gewißlichnach weniger verderblichen Gütern suchte), und nachdem ich die magere Beute in vier Teile geteilt, verschlangen wir sie wortlos. Hernach entdeckte Miroul, welcher wie ein Frettchen alle Ecken durchstöberte, eine Flasche Wein, die den Augen der Plünderer wie durch ein Wunder entgangen war. Und diesem Wunder erwiesen wir sogleich die gebührende Ehre, denn unsere Kehlen waren wie ausgetrocknet von unserer langen Flucht in der schwülen Nacht.
    Als jedoch Giacomi einen Blick durch das eingeschlagene Fenster warf, sah er da in der Helle des beginnenden Tages, daß unser Flüchtiger sich mit mindestens vierzig Kerlen seines Schlages, alle mit Spießen und Piken bewaffnet, wieder dem Haus näherte, so daß man hätte vermeinen können, das halbe Schlachterviertel wolle mit seinen Schlachtern, Metzgern und Lastenträgern über uns herfallen, seine Toten zu rächen. Wir wandten uns also eiligst zur Flucht und suchten über einen kleinen Treppenturm zu entkommen. Fröhlich stürmte – zu unserem Glück – als erster die Stufen hinauf, denn in der Dunkelheit des Turmes stieß er unversehens mit dem Schädel an eine eiserne Falltür, welche unter der Wucht des Aufpralls gleich ein wenig nachgab, ohne daß er selbst dabei großen Schaden nahm, so hartschädelig sind die wackeren Schweizer aus Bern. Mit Hilfe seiner Keule öffnete er die Falltür vollends, und wir retteten uns durch diese Öffnung glücklich auf das Hausdach. Indes die Eindringlinge im Haus drinnen einen Teufelslärm veranstalteten und immerfort »Auf die Ketzer!« schrien, kletterten wir über das halbverbrannte Dach, immer in großer Gefahr, uns den Hals zu brechen oder entdeckt und beschossen zu werden.
    So gelangten wir schließlich mit Mühe zu einer Dachluke, welche Fröhlich mit seiner Keule erbrach und sich sogleich mutig durch die so entstandene Öffnung schwang, ohne indes Schaden zu nehmen, denn darunter befand sich ein wohlgefüllter Heuboden. Hier gedachten wir uns den Tag über zu verbergen und bereiteten inmitten des weichen, wohlriechenden (doch auch ein wenig stachelnden) Heus ein Lager, darauf wir unsere zerschlagenen Glieder wohlig betteten. In diesem bequemen Nest waren wir fast schon eingeschlafen, als ganz unversehens unser Lager unter uns nachgab und Fröhlich – schreiend, daß er im Heu ersaufe – vor unseren Augen verschwand. Wir hattengar nicht die Zeit, uns darüber zu verwundern, denn auch wir rutschten sogleich durch das Loch, das er hinterlassen, und fanden uns zusammen mit Fröhlich in einer Futterkrippe wieder; eine sanfte Mauleselin vergaß, erschrocken über das seltsame Futter, welches ihr da vors Maul fiel, das Iahen und das Fressen, wich bis ans Ende ihres Strickes zurück und sah uns reglos an mit ihren großen braunen Augen, welche viel sanfter und gutmütiger blickten als die der Menschen, zumindest derer, welche wir seit dem ersten Glockenschlag vom Turme der Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois bei ihrem frommen Werk gesehen.
    Oh, Leser, wirst du es glauben?

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