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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Wir huben an zu lachen! So stark ist die Fröhlichkeit im Menschen verwurzelt und Teil seines Lebensmutes, daß sie beim kleinsten und nichtigsten Anlaß unter dem Schrecken hervorbricht, darunter man sie begraben wähnte.
    »Wir sind noch einmal glimpflich davongekommen«, sprach ich, »und brauchen nur auf der Leiter dort wieder hinaufzusteigen.«
    »Mein Herr Bruder«, ließ sich da Giacomi vernehmen, welcher sich sorgfältig die Heuhalme aus den Haaren las, »ich vermeine, wir sollten besser hier unten im Stall bleiben und uns hinter den leeren Fässern dort verbergen.«
    »Und warum?«
    »Mein Pierre, wenn Ihr einer dieser Schurken wäret, wo würdet Ihr dann nach den Flüchtigen suchen, wenn nicht auf dem Heuboden? Das Versteck hier unten ist sicherer, denn hier vermutet uns keiner.«
    »Bei den Hörnern des Teufels, du hast recht, Giacomi!« erwiderte ich, und wir trugen das herabgefallene Heu hinter die Fässer, damit wir ein weiches Lager auf dem harten Boden hätten; Fröhlich indes verweilte bei der Mauleselin, kraulte sie zwischen den weichen Ohren und bedachte sie mit allerlei Kosenamen in seiner Heimatsprache, so sehr erinnerte sie ihn wohl an seine Schweizer Berge. Wir riefen ihn, als das Lager fertig war, und nachdem er sich der Länge nach ausgestreckt – welche beträchtlich war, ganz zu schweigen von seiner Breite –, war er, die Keule an seiner Seite, zu welcher er ebensolche Zuneigung trug wie Herkules zu der seinen, im Handumdrehen in einen so friedlichen Schlummer versunken, als ruhte er im weichen Grase eines lieblichen Berghanges in seinem Berner Land.
    Wir verstellten noch mit den Fässern eine kleine Tür in unserem Rücken, auf daß wir von hinten nicht überrascht würden. Die große Stalltür befand sich uns gegenüber, rechts von der Futterkrippe, an der sich nun wieder das Maultier gütlich tat, nicht ohne von uns beneidet zu werden, denn der Hunger quälte uns erneut ganz schrecklich. Auch vereinbarten wir, daß immer einer wachen solle, wobei ich die erste Wache übernahm, indes Miroul, Giacomi und der Schweizer im Schlafe lagen, ein jeder den blanken Degen an seiner Seite wie ein getreuliches Frauenzimmer.
    Obgleich ich ausgestreckt lag und gar sehr ermattet war, fühlte ich mich nicht schläfrig, denn mein Geist war aufgewühlt von all dem Schrecklichen, das ich gesehen, seit Cossain an die Tür Colignys gehämmert und den armen La Bonne niedergestochen hatte. Ich versuchte, diese Gedanken aus meinem Sinn zu vertreiben, um meinen Schmerz nicht zu mehren, und indes ich die Gegenwart zu vergessen suchte, kam mir all das wieder ins Gedächtnis, was mir seit meiner Ankunft zu Paris widerfahren. Über Grund und Ursache der erlebten Freuden als auch Widrigkeiten nachsinnend, stellte ich mir die bange Frage, ob ich am Ende nicht ebenfalls nackt und leblos die Seine hinabtreiben würde, welche Frage mich wieder in die Gegenwart zurückführte, die ich doch hatte vergessen wollen.
    Ein tröstlicher Gedanke blieb mir zumindest; daß nämlich mein Samson zu Montfort in Sicherheit war. Aber auch dieser Gedanke war nicht ohne Stachel, stand doch zu befürchten, daß er sich, da er mich in Paris wußte, zu Unbedachtheiten hinreißen ließe, wenn er von dem Blutbad hörte; welche Befürchtung schließlich meinen Zorn auf Dame Gertrude weckte, die sich mit Quéribus in Saint-Cloud vergnügte, anstatt in Montfort meinem Samson beizustehen, ihn zu bremsen und zu zügeln, damit er in seinem Glaubenseifer keine Torheiten begehe.
    Ich weiß nicht, wie lange die Sorge um meinen Bruder mich plagte und quälte, ebenso das Bild von dem kleinen Kind, welches der bärtige Schurke mir tot in die Arme geworfen. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, wie ich durch die Ritzen zwischen den Brettern des Stalles wahrnahm, da hörte ich plötzlich Schritte und Stimmen im Hof, und gleich darauf ward an der mit Fässern verstellten kleinen Tür gerüttelt. Ich weckte meine Gefährten, was bei Fröhlich nicht ohne Mühe abging,denn er schlief wie ein Murmeltier, und dann hockten wir reglos, die Waffen in der Hand, alle Muskeln gespannt, mit klopfendem Herzen hinter unseren Fässern.
    Indes ich mein Auge einem Ritz zwischen zwei Fässern näherte, sah ich die große Stalltür aufgehen, und mit Piken, Spießen und Feuerbüchsen bewaffnet, drängten die vierzig Kerle herein; der Anblick des Maultiers versetzte sie in gar große Verwunderung, was zwei von ihnen nicht hinderte, es sogleich loszubinden, um es – wie sie

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