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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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sagten – zu versilbern und das gewonnene Geld mit allen zusammen in der
Schenke zum Goldenen Roß
zu vertrinken. Doch der Anführer der Bande, ein langer Kerl, welcher am Gürtel ein Schlachtermesser trug, schrie, daß er erst noch den Heuboden nach diesen Ketzerhunden durchsuchen wolle, welche seine Kumpane umgebracht, und stieg ungesäumt die Leiter hinauf, gefolgt von seinen Spießgesellen. Oben hörte ich sie dann unter gotteslästerlichem Fluchen an allen Ecken und Enden ihre Degen, Spieße und Piken in das Heu stoßen, höchst betrübt, wie ich wetten will, daß sie beim Herausziehen keinen einzigen Tropfen Blut daran fanden.
    Schaudernd dachte ich in meinem Sinn, daß diese Schurken wohl auch einen Blick hinter unsere Fässer werfen würden und daß es dann um uns geschehen wäre, denn einige waren mit Pistolen und Arkebusen bewaffnet. Und ein Blick Giacomis verriet mir, daß auch er vermeinte, unser letztes Stündlein sei gekommen und wir würden bald entseelt den Seine-Fluß hinabtreiben. Bei dem Gedanken jedoch, daß der Tod mich so arg beschmutzt und verschwitzt, mit Blut besudelt und mit erbärmlich klopfendem Herzen vorfinden sollte, empfand ich große Scham. Voller Grimm schloß ich meine Faust um den Griff meines Degens und gedachte, meine letzte Reise nicht anzutreten, ohne daß mich dabei möglichst viele von diesen Schurken begleiteten, welche in diesem Augenblick wieder die Leiter heruntergestiegen kamen, allen voran der große dicke Schlachter, dem ich gleich als erstem das Lebenslicht ausblasen wollte, so niedrig und gemein schien mir sein Wesen. Mein Herz begann wie rasend zu schlagen, denn ich sah einen der Kerle, dünn wie ein Zwirnsfaden, auf unsere Fässer zukommen.
    »Was willst du dort, du Dummkopf?« fragte der Schlächter.
    »Ich schaue nur«, entgegnete der klapperdürre Kerl.
    »Heiliges Kanonenrohr!« rief da der Schlachter höhnisch, »hast du keine Augen? Die Fässer sind leer wie dein Hirn. Das sieht doch ein Blinder!«
    Worüber die Schurken sich schier totlachen wollten.
    »Ihr habt ja recht, Hauptmann«, sprach der Dünne kleinlaut und kehrte unterwürfig an die Seite seines Anführers zurück, hinter dem er dann den Stall verließ, verlacht und verspottet von seinen Spießgesellen, die es eilig hatten, das Maultier zu vertrinken.
    Dem Himmel sei Dank! Wir stießen einen solchen Seufzer der Erleichterung aus, daß der ganze Heuboden davon hätte leergefegt werden können. Wonach wir uns nur schweigend anblickten, schwitzend vor Erregung, alle Müdigkeit wie verflogen und höchstlich erstaunt, uns noch am Leben zu befinden.
    Den Rest des Tages verbrachten wir in einem dumpfen, unruhigen Halbschlaf (nur Fröhlich schnarchte friedlich) und schreckten beim leisesten Geräusch hoch, die Kehle wie ausgedörrt, so daß die Zunge uns am Gaumen klebte, und was das Schlimmste war: von einem solchen Hunger gezwickt und gepeinigt, daß wir von jedem Pestkranken oder Aussätzigen ein Stück Brot angenommen hätten. Gegen Ende des Tages muß ich dann wohl eingeschlafen sein, denn ich hatte einen schrecklichen Traum: das Kind, welches in meinen Armen sein Leben ausgehaucht, verwandelte sich in den kleinen Henriot, und meine Alizon wollte sich mit einem großen Messer auf mich stürzen, vermeinend, daß ich der Mörder ihres Kindes sei.
    Als die Nacht vollends herniedergesunken – es war die von Sonntag auf Montag, und sie war zu unserem Glück weniger mondhell denn die vorherige –, verließen wir unser Versteck und wollten von neuem versuchen, die Brücken zu überqueren.
    Wir gingen also durch die Rue der la Grande Joaillerie auf die Wechsler-Brücke zu; kurz vor ihr verharrten wir, und ich ließ meinen Miroul erkunden, wie die Brücke bewacht sei. Er verschwand lautlos im Dunkel, geschickt die Schatten der Mauervorsprünge ausnutzend, so daß ich ihn schon nach wenigen Klaftern aus dem Auge verloren hatte und ganz erstaunt war, als er nach einer Zeit plötzlich wieder neben mir auftauchteund vermeldete, daß die Bürgerwache, welche den Zugang zur Brücke bewachen soll, sich am Ufer zu schaffen mache, um die noch bekleideten Leichen aus dem Wasser zu ziehen und sich deren Kleider zu teilen.
    Wir gelangten also ohne das geringste Wagnis über die Wechsler-Brücke und begegneten nur einem völlig zerlumpten, stinkenden, abgehärmten Kerl, welcher gebeugt, mit einem Sack auf dem Rücken, die erbrochenen Häuser durchstöberte und bei unserem Anblick seinen Sack sogleich fallenließ und auf

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