Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Sicherheit bringen.«
Dabei blickte er auf uns und wies mit dem Finger zu der geheimen Treppe. Nachdem ich ihn herzlich umarmt, verschwand ich hinter der Geheimtür, gefolgt von meinen traurigen Gefährten, indes uns das Herz in dunkler Vorahnung des kommenden Geschehens schlug, von dem uns nur die dünne Holztäfelung trennte.
Senneçay trat als erster ein, mit voller Rüstung angetan, den Degen in der Hand, den Rundschild am Arm, als wolle er sich tapfer in das dichteste Kampfgetümmel werfen und nicht diefriedliche Bibliothek eines unbewaffneten Mannes aus dem Richterstande betreten.
Da er sich lebelang vermöge der großen Geschmeidigkeit seines Rückgrates als getreulicher Vollstrecker aller schmutzigen Pläne des Louvre erwiesen, hatte sein Angesicht einen Ausdruck angenommen, in dem sich Grausamkeit und Verschlagenheit in tückischer Gemeinsamkeit widerspiegelten; seine schwarzen Augen bewegten sich ohne Unterlaß wie kleine wilde Tiere, doch nicht ohne eine gewisse Unterwürfigkeit und Unruhe in ihren Höhlen; die Lippen, dünn, farblos und verkniffen, schienen wie nach innen gekehrt und von seinen Begierden zerfressen; das ganze Gesicht war mit schwärenden roten Pusteln besät, als drängten die von seinem Hirn abgesonderten Säfte der Bosheit nach außen.
Er ward gefolgt von drei greulichen Kerlen, welche die goldene Halsberge der Hauptleute trugen und die Monsieur de la Place als die blutgierigsten Viertelsmeister bezeichnet hatte. In ihrem Aussehen glichen sie eher wilden Tieren denn menschlichen Wesen, zumal von ihnen derselbe Gestank ausging. Einer stellte seine nackten Arme zur Schau, über und über mit Blut befleckt, als wolle er zu seiner großen Ehre vor aller Augen kundtun, welchen Anteil er seit zwei Tagen an der großen Metzelei unter den Hugenotten genommen.
»Monsieur«, sagte Senneçay, ohne Monsieur de la Place mit seinem Titel eines Gerichtspräsidenten anzureden und ohne ihn anzuschauen, »ich habe den ausdrücklichen Befehl des Königs, Euch in den Louvre zu bringen.«
»Zum Louvre, Herr Stadtvogt!« rief Monsieur de la Place. »Wo die ganze Stadt sich in Aufruhr befindet, das Volk allerorten sich erhoben hat und nach Mord schreit! Selbst inmitten Eurer Wachen und von deren Piken umgeben, käme ich dort nicht lebend an!«
»Ich verbürge mich für das Gegenteil«, sagte Senneçay, ohne ihn anschauen zu wollen oder zu können, denn sein Auge schweifte ruhelos durch den Raum. »Ich werde Euch zu Eurer Sicherheit einen der Pariser Hauptleute beigesellen, welcher dem Volk von Paris wohlbekannt.«
»Und wer wird das sein?« fragte Monsieur de la Place.
»Der mich begleitende Herr Pezou.«
Worauf Pezou, ein Hüne mit brandrotem Haar und hellen,verwaschenen Augen, seinen Schmerbauch nach vorn schob und herausfordernd seine Fäuste in die Hüften stemmte.
»Pezou!« schrie Monsieur de la Place und blickte ihn mit geweiteten Augen an. »Pezou ist als der grausamste Viertelsmeister der ganzen Stadt bekannt. Herr Stadtvogt! eine schlimmere Wahl hättet Ihr nicht treffen können! Sieht doch ein jeder, wie Pezou sich brüstet, die Arme ganz befleckt vom Blute der Unseren zu haben.«
»Gewißlich brüste ich mich damit«, sagte Pezou, indes sich seine farblosen Wimpern über seine verwaschenen Augen senkten. »Ich habe der Heiligen Jungfrau Maria geschworen, mir diese Arme nicht zu waschen, jawohl, so blutverkrustet, wie sie sind, und damit zu essen und zu schlafen, bis das Fest beendet und dem letzten Ketzer zu Paris der Garaus gemacht ist!«
»Monsieur«, sprach ein anderer Viertelsmeister höhnisch, »ist es nicht geraten, einen Körper zur Ader zu lassen, wenn er an einem Übel leidet? Das gleiche gilt für den Staat, welcher gar viel gelitten hat unter Eurem pestilenzialischen Ketzertum. Wie es Herr von Tavannes am Morgen von Sankt Bartholomäus verkündet hat: ›Lasset zur Ader‹, rief er, auf seinem Roß durch die Straßen galoppierend, ›lasset zur Ader, meine Freunde! Ein Aderlaß im August ist so heilbringend wie im Mai!‹«
Als Pezou diese Worte vernahm, zwinkerte er mit seinen blassen Augen, nickte mit dem Kopf und wiederholte begeistert: »Ein Aderlaß im August ist so heilbringend wie im Mai!«
Ob nun unter dem Zauber dieses verwunderlichen Satzes oder nicht – die drei tauschten einen Blick aus den Augenwinkeln und begannen unbändig zu lachen, welche Heiterkeit indes nicht verfehlte, Senneçay in einige Verlegenheit zu bringen, denn er war ein großer Heuchler und
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