Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
wollte den Schein gewahrt wissen.
»Herr Stadtvogt«, rief Monsieur de la Place, »habt Ihr das gehört? Wollt Ihr mich in solche Hände geben? Ich bitte und flehe zu Euch, daß Ihr mich unter Eurer eigenen Verantwortung zum Louvre bringen möget.«
»Monsieur«, entgegnete Senneçay heuchlerisch mit abgewandtem Gesicht, »Ihr müßt mich schon entschuldigen, auf mich warten andere Angelegenheiten. Ich kann Euch nur fünfzig Schritt begleiten, den Rest wird dann Pezou übernehmen.«
»So müßt Ihr also doch mit mir fürlieb nehmen, Monsieur!« setzte Pezou mit lautem Lachen hinzu, »und bei Gott – Ihr werdet es nicht bereuen!«
»Oh, Herr Stadtvogt«, sprach Monsieur de la Place mit tonloser Stimme, »dies ist hinterhältiger Verrat! Ich werde diesem Metzler nicht folgen, nein, ich weigere mich!«
Bei diesen Worten verfinsterte sich die Miene Senneçays gar sehr, worauf er, ohne ein Wort zu sagen, zur Tür ging und ein halbes Dutzend seiner Weißröcke heranrief.
»Monsieur«, sprach er dann zu La Place, »genug der Aufsässigkeit und Widersetzlichkeit gegen den Stadtvogt. Wenn ich im Namen des Königs spreche, dann hat ein jeder zu gehorchen. So Ihr nicht freiwillig dem Befehl des Königs nachkommen wollt, lasse ich Euch, an Händen und Füßen gebunden, auf dem Schandkarren zu Seiner Königlichen Hoheit bringen.«
»Monsieur«, erwiderte La Place, nachdem er sich kurz bedacht, »ich erspare Euch diese letzte Schändlichkeit. Sie würde Euer Gewissen zu sehr belasten.«
Er nahm seinen Umhang (ohne den in Paris keine Person seines Standes – auch im August nicht – einen Schritt auf die Straße tut), legte ihn sich um die Schultern und schritt bleichen Gesichts, doch ruhig und gemessen zur Tür. Ehe er indessen die Schwelle übertrat, wandte er sich um und warf, ohne Senneçay und die drei Viertelsmeister im geringsten zu beachten, einen langen Blick auf seinen Lehnstuhl, seinen Tisch und seine Bücher.
Wie ich später erfuhr, nahm der Zug seinen Weg über die Kleine Brücke, wo Senneçay, wie er angekündigt, sich zurückzog und Pezou sich an die Spitze der Schar stellte, welche von einer großen Menge Volkes begleitet ward, die unaufhörlich Mordrufe ausstieß, sich indes nicht zu nahe an die Spieße der Weißröcke heranwagte. Inmitten dieser brüllenden Horde durchquerte Monsieur de la Place die halbe Cité, an der Ecke der Rue de la Verrerie, wo eine Handvoll Metzler postiert worden war, befahl Pezou zu halten. Unversehens stürzten die Metzler über den Gerichtspräsidenten her, ohne daß die Weißröcke den kleinen Finger rührten, und stachen ihn nieder.
Ich für mein Teil vermeine, daß der König zwar nichts zum Schutze von Monsieur de la Place unternommen, indes auch nicht seinen Tod befohlen hatte. Sonst wäre sein Name auf eineSchriftrolle gesetzt worden, und man hätte ihn gleich im Morgengrauen des 24sten umgebracht wie so viele andere. Mich deucht, Senneçay hat diesen Mord auf Betreiben von Pezou und Nully geduldet, welch letzterer daraus gar großen Vorteil zog, denn nachdem er die Mütze des Gerichtspräsidenten nach dem zweiten Bürgerkrieg erhalten, hatte er sie beim Friedensschlusse zu Saint-Germain an Monsieur de la Place zurückgeben müssen und war darob erbost. Mit kleiner Münze ward sodann Pezou und mit großer Münze Senneçay gekauft, welcher – bedacht auf seinen Ruf – es mit Geschick vermied, bei der Tat zugegen zu sein.
So war der Lauf der Dinge in diesen schlimmen Zeiten. Jedem bot sich Gelegenheit, einen unliebsamen Ketzer aus dem Wege zu räumen, sei es, weil er sein Amt begehrte, sei es, daß er ihn beerben oder für eine Beleidigung sich rächen oder einen Rechtshandel auf bequeme Weise beenden wollte. So der berühmte Bussy d’Ambroise, welcher mit dem Hugenotten Antoine de Clermont, seinem Vetter, endlos um das Marquisat Renel prozessierte; er suchte selbigen im Morgengrauen des 24sten auf und beendete den Rechtsstreit, indem er seinen Vetter, der sich gerade zur Flucht anschickte, kurzerhand niederstach.
Sobald Monsieur de la Place von seinen Henkern hinweggeführt war, verriegelte ich, damit wir Zeit gewönnen, die Tür der Bücherkammer, denn ich mutmaßte, daß der Pöbel – da die Haustür offen und das Haus verlassen – alsbald hereinfluten würde, um zu plündern, was noch zu plündern war. Florine kam schluchzend aus dem Nebengemach, doch ich konnte ihr nicht verstatten, ihr Bündel aus ihrer Kammer zu holen, denn schon waren Gelärm und Geschrei
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