Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
gleichsam versprochen, seine Hausmagd in Sicherheit zu bringen? Wo sollte ich sie nun lassen, da ihre Base sie nicht aufzunehmen gewillt?
Weil ich angesichts der drängenden Zeit keine endgültige Entscheidung treffen wollte noch konnte, entschloß ich mich, nichts zu beschließen, und sprach mit einem Lächeln zu meinem wackeren Diener:
»Versuchen wir zuerst, zur Stadt hinauszukommen. Dann werden wir weitersehen.«
Worauf Miroul mit solcher Freude und Dankbarkeit zurücklächelte, daß es mir das Herz rührte.
»Vorwärts!« sprach ich nun. »Laßt uns sehen, ob wir nicht durch eines der Tore dieser grausamen Stadt gelangen und so aus der Falle hinauskommen.«
Doch Miroul, dessen Geist anderweitig beschäftigt, verfehlte diesmal, uns den rechten Weg zu weisen, und so ritten wir geradewegs die Rue Hautefeuille hinab, bis uns das Franziskanerklosterden Weg versperrte, allwo wir uns unversehens von einer Menge schreiender und lärmender Weiber umgeben sahen, welche etliche Hugenottenfrauen zur Kirche schleiften, sie dort kurzerhand zu bekehren. Da unsere Rösser in diesem Getümmel keinen Huf breit vorwärtskamen, mußten wir wohl oder übel dies seltsame Schauspiel mit ansehen. Die Portale der Franziskanerkirche standen weit offen, und auf dem Hauptaltar, erhellt von großen Leuchtern, blitzte und blinkte das Götzenbild, welches die Papisten das Heilige Sakrament nennen und vor dem diese Furien die unglücklichen Frauenzimmer auf die Knie zwangen, damit sie ihrem Glauben abschwören sollten, was etliche auch taten (insonderheit jene, die junge Kinder in ihren Armen hielten – wohl um sie vor Tod oder Leid zu bewahren), indes andere sich heftig weigerten, welche dann an den Haaren gerauft, geschmäht, bespien, ihrer Kleider beraubt und vor das Standbild des Heiligen Königs Ludwig (welches zwischen den beiden Portalen der Kirche stand) gezerrt wurden, allwo ganze Trauben von Besessenen über sie herfielen, sie zu schlagen, mit den Nägeln zu kratzen, mit Füßen zu treten, und dabei so erschrecklich kreischten und schrien, daß einem das Blut in den Adern stockte, und nicht eher von ihren armen Opfern abließen, als bis sie diese für tot hielten.
Man wird sich denken können, mit welchem Schrecken die arme Florine dieses Schauspiel betrachtete, sah sie sich doch schon gleich diesen Unglücklichen zerfleischt von den wilden Furien, so daß sie schließlich ihr bleiches Angesicht an den Rücken meines Miroul preßte, welcher mit den Zähnen knirschte und dessen braunes Auge diesmal grimmiger blickte als sein blaues.
»Gemach, Miroul!« sprach ich, »zügle dich! Wir müssen zuerst versuchen, aus diesem wilden Getümmel herauszukommen!«
Und indes wir unsere Pferde zurückhufen ließen, wobei ihre breiten Hinterteile uns einen Weg bahnten, lösten wir uns aus der Menge dieser wilden Furien und erreichten die Rue du Paon. Von dort gelangten wir zur Rue de l’Eperon, welche friedlich war, und sodann zur Rue des Arcs 1 , auf die solches nicht zutraf, denn just als wir in sie hineinritten, fuhr da untergroßem Lärm und Rädergerumpel eine Reisekutsche entlang, deren Vorhänge nicht ohne Grund herabgelassen waren und die zudem von wenigstens dreißig Reitern begleitet ward, einige mit Wams und Umhang, andere mit Sturmhaube und Brustharnisch angetan, doch alle den Degen oder die Pistole in der Hand. Und wiewohl diese Reiter fast alle das Lothringer Doppelkreuz an der Kopfbedeckung und das Wappen der Guisen auf den Harnischen ihrer Rösser trugen, konnten sie den Pöbel nur mit großer Mühe zurückhalten, der nicht zu Unrecht mutmaßte, daß hier ein Hugenott von höherem Stande ihrem Messer entzogen werden sollte (was der Herzog von Guise aus vorgeblicher Großherzigkeit mehrmals veranlaßte, obgleich er doch anfänglich zum Gemetzel aufgerufen). So rannte das Volk also zu beiden Seiten neben der Kutsche her und schrie unaufhörlich: »Auf die Ketzer! Tötet sie! Tötet sie!«, wobei einige sich gleichsam vor die Hufe der Rösser warfen und sich auch von den Schlägen mit flacher Klinge, welche die Leute der Eskorte wacker austeilten, nur wenig schrecken ließen.
Oh, Leser! Ich erkannte sofort meine Chance. In der sicheren Hoffnung, daß dieser sich vorwärts windende Drache die Zugbrücke des Buccy-Tores überqueren würde, packte ich ihn am Schwanz und trieb, nicht ohne meinen Gefährten einen Wink zu geben, mit dem Ruf »Es lebe Guise!« mein Roß hinter dem Zug her – zum Glück für den am Schlusse
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