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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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zu hören und Schritte auf der Treppe und hub ein Gewimmel im Hause an wie um einen Käse, über den sich die Ratten hermachen.
    Ich zog also die Jungfer flugs auf die Geheimtreppe und schloß die Tür in der Holztäfelung, wonach wir ins Dunkel hinabstiegen, ich als letzter, Fröhlich voran, der alsbald auf eine Tür stieß, welche er ohne langes Federlesen mit seiner Keule eingeschlagen hätte, wenn ich nicht aus Furcht vor dem solcherart verursachten Lärm Miroul geheißen, den Schließdorn zu suchen, den er auch sofort fand, so daß uns der Weg in den Stall offenstand, darinnen uns Florine sogleich die hinter Heuballen versteckte Tür zeigte, welche auf die Rue Boutebrie hinausging,welchselbige uns nach einem vorsichtigen Blick recht ruhig und verlassen schien. Wie man sich denken kann, verloren wir keine Sekunde, die im Stalle befindlichen Pferde zu satteln, aus Angst, daß auch die Plünderer ihren Weg in den Stall finden könnten. Nachdem wir aufgesessen, Florine hinter Miroul, von dessen Seite sie nicht einen Zoll gewichen, während er sein Roß gezäumt, sprengten wir davon. Uns nach links wendend, gelangten wir zur Rue de la Harpe, sodann zur Sankt-Michaels-Brücke, wonach wir die linke Uferstraße bis zur Rue des Grands-Augustins entlangritten, allwo die Base unserer Hausmagd wohnte, die Tochter ihrer Muhme, einer gütigen und warmherzigen Frau normannischer Abstammung, wie sie Miroul unterwegs berichtete, welche der liebe Gott im vergangenen Jahr beklagenswerterweise zu sich gerufen hatte.
    Beklagenswerterweise – für Florine – hatte die Base nichts von dem barmherzigen Wesen ihrer Mutter geerbt, denn kaum war die Haustür geöffnet, ward sie der blonden Jungfer wieder vor der Nase zugeschlagen, und als Florine mit lauter Stimme flehte, man möge sie doch nicht einsam und schutzlos auf der Straße stehenlassen, ging ein Fenster im Oberstock auf, und die liebe Anverwandte, eine fanatische Katholikin, überschüttete das Mädchen mit einer Flut von Beschimpfungen. Und da sich zu allem Unglück auf dies Geschrei hin noch andere Fenster auftaten, wo böse Weiber fromm ihr »Nieder mit den Ketzern!« anstimmten, deuchte mich, daß wir uns schleunigst aus dem Staube machen sollten, wenn wir nicht bald die ganze Gemeinde auf dem Halse haben wollten.
    Wir gaben also unseren Gäulen die Sporen und trabten durch manche Straße und Gasse, bis wir uns schließlich in der Rue Hautefeuille befanden, welche uns friedsam dünkte und wo wir anhielten, denn Florine weinte sich schier die Augen aus dem Kopf, das hübsche Gesicht an Mirouls Rücken gepreßt und ihn mit beiden Armen umklammernd.
    »Florine«, sprach ich, mein Roß an die Seite meines wackeren Dieners treibend, »hast du keine anderen Anverwandten?«
    »Leider nein, Herr«, erwiderte sie, »Gott hat sie alle zu sich genommen wie meine liebe Muhme. Oh, Herr! was soll ich nur beginnen? wo soll ich hin? Meine gnädigen Herrschaften waren meine ganze Familie.«
    »Moussu«, hub da Miroul an, »können wir die Ärmste alleinin den Straßen dieser feindseligen Stadt zurücklassen, wo das Messer der Metzler oder Schlimmeres noch auf sie wartet? Wenn Ihr belieben wollt, so lasset sie mit uns ziehen und ihr Schicksal mit dem unseren verbinden.«
    »Ach, Miroul!« hauchte Florine, deren Tränen plötzlich versiegt waren und die sich noch enger an meinen Miroul preßte.
    »Miroul«, sagte ich unentschlossen, »eine Jungfer kann man nicht einfach mit sich tragen, wenn man auf der Flucht ist.«
    Doch Miroul blickte mich aus seinen zwiefarbenen Augen so ernst und bittend an – er, der sonst immer so schelmisch war –, daß ich wohl begriff: diesmal wollte er sich nicht auf ein flüchtiges Abenteuer einlassen, sondern war der Jungfer mit ganzem Herzen und ganzer Seele zugetan. Indes ich Giacomi einen Blick zuwarf, ersah ich an seinem Lächeln, daß auch er herzliche Zuneigung und nicht bloße Begierde vermutete. ›Und trotzdem‹, dachte ich bei mir, ›ein Frauenzimmer mit auf die Flucht nehmen! Wo allenthalben so große Gefahren auf uns lauern! Und wäre sie selbst nicht auch eine Gefahr für uns, da sie das schwächste Glied unserer Kette wäre, weder zu reiten versteht noch schnell zu laufen und nicht zu fechten – eine süße Last für meinen Miroul, doch eine Last trotz alledem, hinderlich dem raschen Vorankommen? …‹ Doch wie hätte ich sie meinem Miroul verweigern können, der mir so viele Male das Leben gerettet? Und hatte ich Herrn de la Place nicht

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