Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Beutel für all diese kostspieligen Überflüssigkeiten leeren zu müssen. Und ist es nicht großer Jammer und verabscheuungswürdiger Bombast, daß so viel Geld für eine Sache draufgehet, für die allein das Wissen ausreichen sollte! Dochvernehmet dies: Die ganzen drei Tage, welche meine Prüfungen dauerten, hatte ich gemäß Sitte und Gebrauch nicht nur meine Examinatores mit weißem Weine und Kuchen zu bewirten, sondern auch die Zuhörer, welche sich im Prüfungssaale drängten und welchen, solcherart mit Speis und Trank gelabet, die Länge der Sitzungen gar erträglich erschien. Ich hatte die Wirtin der Herberge
Zu den drei Königen
ersucht, mir Hilfe und Unterstützung während der ganzen Zeit meiner
triduanes
zu gewähren, wozu sie sich ohne Zögern, nicht aber ohne Zahlung bereit erklärte, und nun lief sie ohne Unterlaß zwischen den Zuhörern mit Krügen, Bechern, Backwerk und Marzipan hin und her, unterstützt von zwei geschickten Hausmägden, und ich sah mehr als einen – selbst von den ordentlichen Doctores – sie betätscheln, wenn sie, beide Hände voller Leckereien, vorbeigingen.
Die Unkosten waren groß, aber leider notwendig, damit alle, Prüfer wie Zuhörer, guten Mutes und mir wohlgewogen blieben, denn anderenfalls hätten die einen mich noch länger im Feuer ihrer Fragen rösten lassen und die anderen mich mit Schmäh- und Spottrufen überschüttet, anstatt jede Antwort mit ohrenbetäubendem Applaus zu quittieren, wie sie es taten, wenn ihr Bauch gefüllet und die Milz vom Wein besänftigt war.
Der »Fötus« Bazin versuchte sehr wohl, mich in die Falle zu locken, doch auf die erste heimtückische Frage, welche er mir stellte, antwortete ich ohne Zögern mit einem gar langen griechischen Zitat aus den Texten des Hippokrates, welches ich erhobenen Hauptes, mit fester Stimme, stolzer und triumphierender Miene und gemessenen Gebärden vortrug, so daß die Zuhörer, in dem Glauben, ich hätte ihm den Wind aus den Segeln genommen und ihn übertrumpft, aus Leibeskräften in die Hände klatschten. Worauf Doktor d’Ássas, den Kopf wiegend und mit dem Hintern tönend, vergnüglich grinste; der Kanzler Saporta, obgleich er zu gut griechisch sprach, um meine scheinheilige List nicht zu durchschauen, schwieg trotzdem und bedachte den Dekan sogar mit einem höchst verächtlichen Blick, indes Bazin sich wieder niedersetzte, völlig außer Fassung, beschämt, verwirrt und wie erstickt an seinem eigenen Gift.
Da sie den Dekan nun mit solcherart gestopftem Maul dasitzen sahen, überlegten es sich die ordentlichen Doctores zweimal,ob sie mir Fallen stellen sollten. Nur Doktor Pennedepié, welcher den Doktor Pinarelle über alle Maßen haßte, da dieser ihm einen Patienten weggeschnappt, wollte sich auf meine Kosten an ihm rächen und fragte mich, ob nach meinem Bedünken der Uterus des Weibes einteilig oder zweigeteilt sei. Die Frage brachte mich in eine nicht geringe Verlegenheit, denn ich wußte wohl, daß Doktor Pinarelle in dieser Sache gegen jede Vernunft sich an die Autorität von Galenus hielt und sich das Gelächter der ganzen Stadt zugezogen, als er zu Sankt Lukas Anno 1567 erklärte, er ziehe es vor, »sich mit Galenus zu täuschen, als mit Vesalius recht zu haben«, welche Begebenheit der Doktor Pennedepié also in seiner Arglist wieder in Erinnerung bringen wollte. Da mir jedoch schon der Haß Bazins genügte, wollte ich nicht noch einen der beiden Doctores gegen mich aufbringen, welche nebeneinander, doch in geringer Freundschaft zueinander, in meinem Prüfungskollegium saßen. So beschloß ich also, in diesem Dispute mit der gleichen Vorsicht vorzugehen, mit der die Katze eine Pfote vor die andere setzt, und sprach auf Latein mit sanfter Stimme und großer Bescheidenheit:
»Hochgeehrter Doktor Pennedepié,
haec est vexata questio
1 . Denn einerseits hat der große Galenus, nachdem er den Uterus einer Häsin seziert und ihn in zweigeteilter Form vorgefunden, dafürgehalten, der des Weibes sei ebenso gestaltet. Dies ist gewiß eine Meinung von beträchtlichem Gewicht, wenn man nur den Ruhm dieses Mannes betrachtet, welcher überall als einer der Meister der griechischen Medizin verehrt wird. Doch andererseits hat unser Zeitgenosse Vesalius, ein kühner und geschickter Doktor der Medizin, welcher an unserer Schule studiert hat, nach Sezierung nicht einer Häsin, sondern eines Weibes festgestellt, daß deren Uterus einteilig ist.«
Nach welchen Worten ich schwieg.
»Und Ihr selbst, was meint
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