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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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mit letzterem ein vornehm gekleidetes Frauenzimmer, das Angesicht ganz mit einer Maske verdeckt, welche Dame ich jedoch sogleich an einer noch zu vermeldenden Besonderheit erkannte. Von einer Dame hatte sie nur das Aussehen und war trotz ihrem Brokatgewandein Wirklichkeit ein einfaches Frauenzimmer, welches das Okzitanische in der Art der Cevennen-Bewohner sprach, was augenblicks an Berge und Kühe denken läßt, und die alljetzt in aller Mäßigkeit ein städtisches Dirnenleben führte, höchst geschätzt von einigen reichen Bürgern, einem hübschen Domherrn von Notre-Dame des Tables und dem Hauptmann Cossolat, da sie neben ihren sonstigen Vorzügen (höchst erfahren in allerlei Liebesspielen) beständig in ihren Freundschaften und eine treuere Seele denn ein Engel war, wenngleich ihr Geschlecht – im Gegensatz zu dem der Engel – zweifelsfrei feststand.
    Ich begab mich durch die Menge zu ihr und sprach ihr ins Ohr:
    »Sieh an, die liebe Thomassine! Hättest du keine Maske auf, würde ich dich küssen!«
    »Ei was«, sprach sie, »du hast mich also erkannt?«
    »Gewiß!«
    »Und woran?«
    »An deinem Busen. Es gibt keinen im ganzen Languedoc, der hübscher und wohlgerundeter wäre.«
    »Ha, du Spitzbube!« sprach sie lachend, »wie gut du deine Zunge zu gebrauchen weißt! Sowohl gegenüber den Frauenzimmern als auch den großen Herren der Medizin!«
    »Meine liebe Thomassine, wie hast du dich bei meinen
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langweilen müssen!«
    »Weiß Gott! Welch ein Kauderwelsch! War es Französisch, was Ihr da geschwatzt habt?«
    »Nein. Es war Latein.«
    »Potztausend! Welch seltsame Sprache! Ich habe kein einziges Wort verstanden. Aber ich habe sehr wohl bemerkt, daß du die Worte ebenso gut setzen kannst wie diese hohen Herren in ihren wunderlichen Röcken. Keiner von ihnen hat dich in Verlegenheit bringen können.«
    Worauf ich mich entfernte, mir einen Becher Wein und ein Bigorrer Würstchen zu holen, und als ich – dasselbe nicht wie ein ungehobelter Klotz in der Faust haltend, sondern artig zwischen Daumen und Zeigefinger, wie es mich Barberine gelehrt, und den gefüllten Becher in der Linken – mich anschickte, zur Thomassine zurückzugehen, vernahm ich einigen Lärm und Tumult von der Türe her, und als ich den Kopf dorthin wendete,sah ich Hauptmann Cossolat in ein Handgemenge mit einem großen, hageren, dunkelhaarigen Kerl verwickelt, welcher bekleidet war mit einem geflickten Wams, jedoch Dolch und Degen trug, und welchen Gesellen Cossolat, der ihn am Kragen gepackt, in den Kerker bringen wollte, weil er weder Doktor noch Scholar, auch nicht stadtbekannter Bürger war, sondern gedachte – wie der Hauptmann vermeinte –, sich allhier auf meine Kosten den Bauch vollzuschlagen und, wer weiß, vielleicht gar noch einige Säckel abzuschneiden.
    »Moussu«, sprach diese Bohnenstange mit beleidigter Miene und stark lispelnd, »rühret mich nicht an! Ich bin eine respektable Person. Mein Name ist Giacomi, und ich bin Fechtmeister.«
    »Lügnerisches Geschwätz! Als ob es zu Montpellier einen Fechtmeister gäbe, den ich nicht schon zu Gesicht bekommen hätte, wo doch das Fechten zu meinem Handwerk gehört! Sprich, Bube, wer kennt dich hier?«
    »Ich zumindest!« sprach ich, näher tretend, denn das Aussehen dieses seltsamen Gesellen gefiel mir nicht übel, und sein italienisches Lispeln erinnerte mich an meinen lieben Samson.
    »Ei was, Pierre!« sprach Cossolat, »dieser Schelm ist Euch nicht unbekannt?«
    »Aber nein«, log ich munter drauflos. »Er ist Giacomi geheißen, und ich habe ihn zu Gast geladen.«
    »Ich kam erst vor drei Tagen in diese Stadt«, sprach Giacomi flugs darauf, »aus welchem Grund Ihr, Herr Hauptmann, mich noch nicht zu Gesicht bekommen.«
    »Pierre«, sprach Cossolat, ihn loslassend, mich aber mit einigem Zweifel in seinen schwarzen Augen anblickend, »könnt Ihr für ihn gutsagen?«
    »Ei freilich«, sprach ich lachend, »so wie für mich!«
    Worauf Cossolat, welcher einen Kopf kleiner war denn Giacomi, doch von untersetzter Gestalt, mit breiten Schultern und kräftigen Gliedern, den Gesellen ohne jede Freundlichkeit abschätzend musterte und sprach:
    »Hör mir gut zu, Italiener: es gefällt mir gar nicht, daß ein Kerl mit deinem Gehabe in meiner Stadt mit Dolch und Degen herumläuft, wenn er keinen roten Heller in seinem Beutel hat.«
    Nach welchen Worten er sich schroff umdrehte und wütend davonstiefelte.
    »Herr Medicus«, sprach Giacomi mit einer Verbeugung, »ich bin Euch zu

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