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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Ihr? Einteilig oder zweigeteilt?« sprach Doktor Pennedepié, mit dem Fuß aufstampfend.
    »Hochgeehrter Doktor Pennedepié«, sprach ich mit demutsvoller Miene, »in diesem Saale sind so viele Männer anwesend, deren Gelehrsamkeit die meine weit übertrifft, daß ich es vorzöge, sie würden die Frage an meiner Statt entscheiden.«
    »Dessen ungeachtet«, so sprach Doktor Pennedepié, »muß Sorge getragen werden für die Kurierung der Krankheiten des Weibes, und so Ihr eine Patientin hättet, welche am Uterus leidet, müßtet Ihr Euch wohl oder übel entscheiden.«
    »In solchem Fall, hochgeehrter Doktor, entschiede ich mich, da ich ihn bei der Sezierung immer dergestalt vorgefunden, für die Einteiligkeit des Uterus, ohne deshalb den berühmten und verehrten Galenus zu mißachten, welcher nach den Erkenntnissen seiner Zeit geurteilt.«
    Es folgte eine Stille, welche mir höchst beunruhigend erschienen wäre, hätte nicht Doktor d’Ássas, beide Arme erhebend, mit lauter Stimme ausgerufen:
    »Welch treffliche Antwort voll bewundernswerter Bescheidenheit für einen so jungen Examinanden!«
    Ich vermeinte, daß es damit sein Bewenden hätte und ich glimpflich davongekommen wäre. Doch als das Prüfungskollegium beriet, sprach Doktor Pinarelle dagegen, daß mir die höchsten Ehren zuerkannt würden, weil ich »hoffärtig und selbstgefällig gewagt, die Autorität des göttlichen Galenus anzuzweifeln«. Zu meinem guten Glücke hatte er als ordentlicher Doktor nur beratende Stimme und konnte also nicht an der Abstimmung teilnehmen. Zu meiner großen Überraschung stimmte jedoch Doktor Bazin, welcher als königlicher Professor beschließende Stimme besaß, für die vorgenannten Ehren, denn er war zu klug, um nicht die Maske der Gönnerhaftigkeit über seine Niederlage zu decken. Überdies war er ein Mann, welcher selbst im Angesicht des Todes noch auf sein Fortkommen bedacht gewesen wäre, und als er zur letzten Sitzung meiner
triduanes
Madame de Joyeuse und ihre Hofdamen in vollem Flitterstaat erscheinen und in der ersten Reihe Platz nehmen sah, wandelte sich die Giftigkeit in seinem Blick, mit dem er mich betrachtete, augenblicklich in einen Ausdruck des Wohlwollens.
    Oh, Leser! Wie du dir wohl denken kannst, schlug mir das Herz zum Zerspringen, als mein »Vater«, der Kanzler Saporta, mich auf das Podest rief, wo die Examinatoren saßen, mich mit höchsten Ehren zum Doktor der Medizin ernannte und mir, sobald ich den hippokratischen Eid geschworen, mit feierlichem Ernst und gravitätischer Würde, wie es der Brauch für solchen Anlaß fordert, die Insignien meines neuen Grades überreichte, welche sind:
    Erstens:
ein schwarzer viereckiger Doktorhut, versehen mit einer karmesinroten Quaste, welchen ich sogleich aufsetzte.
    Zweitens:
ein goldfarbener Gürtel, drei Zoll breit, den ich um meine Lenden band.
    Drittens:
ein breiter Goldring mit meinem Namen darin eingraviert, welchen ich auf den Ringfinger meiner Linken streifte, wo er neben Angelinas Ringlein saß, welches ich am kleinen Finger trug.
    Viertens:
die »Aphorismen« des Hippokrates, aufs schönste gebunden in Kalbsleder.
    Also angetan mit Hut, Gürtel und Ring, das
magnum opus
des Hippokrates in der Hand, hielt ich meine Dankrede in sieben verschiedenen Sprachen: auf französisch (wobei ich unauffällig Madame de Joyeuse grüßte) auf Latein, dabei den ordentlichen Doctores dankend, auf griechisch, dabei die königlichen Professoren grüßend und insonderheit Doktor d’Ássas, der mir meine Rede in selbige Sprache übersetzt hatte; auf hebräisch, dabei Meister Sanche dankend, welcher diese Fassung verfertigt hatte, auf deutsch, dabei die Scholaren aus Basel grüßend; auf italienisch, da ich einige Kenntnis dieser wunderbaren Sprache besaß; und schließlich zum großen Erstaunen aller, denn dies Idiom galt als ungeschliffen und nicht für die Wissenschaft geeignet, auf okzitanisch, in der Sprache von Montpellier.
    Nachdem jedoch das anfängliche erste Erstaunen vergangen, applaudierten die Anwesenden, daß schier die Wände barsten, so erfreut waren sie über meine Zutunlichkeit und auch gerührt von der Verbundenheit, die ich im Augenblick meiner höchsten Ehrung ihrer geliebten Stadt und der Sprache ihrer Bürger und Bewohner bezeugte.
    Wonach der Kanzler Saporta sich erhob, mich kräftig umarmte – dabei seinen stachligen Bart gegen meine Wange reibend – und mich zu seiner Linken Platz nehmen ließ, indes der Pedell Figairasse eiligen Schrittes

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