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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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hinausging, die Schulglocke zu meinen Ehren aus voller Kraft zu läuten. Er schonte sich nicht und tat sein Bestes für meine zwei Dukaten und zwanzig Sechser: es war ein Geklinge und Getön, daß alle, die es hörten, gleich hätten taub werden können.
    Nachdem das ohrenbetäubende Läuten endlich verstummt war, zogen die königlichen Professores, die ordentlichen Doctoresund die Zuhörer durch die Straßen von Montpellier zur Herberge
Zu den drei Königen
, wo ich gemäß dem Brauch den Doktorenschmaus auftischen ließ, der meinen Beutel vollends leerte. Dies war meine letzte Ausgabe und zugleich die monströseste. Doch gewiß sahen das diejenigen ganz anders, welche sich an diesem Tage, Speis und Trank wacker zusprechend, auf meine Kosten den Bauch vollschlugen.
    Madame de Joyeuse hatte die Güte, sich in ihrer Karosse ebenfalls zur Herberge zu begeben, wo sie sich von der Wirtin ein kleines Kabinett geben ließ, in welches sie mich bestellte. Mich durch das Gedränge in der Schankstube windend, verfügte ich mich dorthin und fand sie in Begleitung von Aglaé de Mérol vor, beide in Samt und Seide, gepudert und geschminkt, mit Perlen im Haar und nach allen Wohlgerüchen Arabiens duftend.
    »Oh, mein kleiner Vetter!« rief Madame de Joyeuse, »Ihr dürft mich küssen! Ihr habet wacker Euern Mann gestanden! Nicht daß ich Euer Latein verstehe, doch truget Ihr es vor mit einem so artigen Gesichtsausdruck und mit so anmutigen Gebärden wie eine Katze, welche unter ihrem samtenen Fell gleichwohl auch Krallen trägt, und dabei in nichts – weder in Tonfall noch Gebaren – an einen öden Pedanten erinnernd! Kommt und küßt mich, ich bitte Euch, Ihr waret wunderbar! Aglaé, sagt es ihm auch! Ich befehle es!«
    »Monsieur!« sprach Aglaé de Mérol mit einem Aufblitzen in den Augen und einem leichten Schmollmäulchen, »Ihr wart in allem bewundernswert!«
    Worauf ich Madame de Joyeuse meine Reverenz erwies und begehrlich ihr schönes Gesicht küßte.
    »Erweiset auch Aglaé Eure Reverenz, ich will es!« sprach Madame de Joyeuse, als ich dieses Festmahl beendet, welches mir gewißlich angenehmer war als Saportas rauher Bart.
    »Aber Madame, wie könnte ich!«
    »Monsieur«, sprach darauf Madame de Joyeuse, »weiß ich nicht längst, welch anzügliche Neckereien Ihr mit der Jungfer treibet? Dabei kennt Eure Ungehörigkeit, Spitzbube, keine Grenze! Wohlan, wer A sagt, muß auch B sagen!«
    »Ha, Madame!« sprach ich zu Aglaé de Mérol. »Ihr Treulose habt meine Worte nicht verschweigen können!«
    »Kein einziges, mein Herr!« erwiderte Aglaé lachend, währendich nun die Jungfer küßte, jedoch ohne allzu großen Eifer, damit Madame de Joyeuse, welche immer nur an ihr Alter dachte, sich nicht verletzt fühlen möge.
    »Mein Liebling«, sprach die hohe Dame zu mir, »kommet morgen zu mir, sobald Ihr Euren Umritt durch die Stadt beendet habt.«
    »Aber Madame, ich werde ganz bedeckt sein von Staub und Schweiß!«
    »Dem werden wir Abhilfe zu schaffen wissen«, sprach Madame de Joyeuse augenzwinkernd, »in meinem Badezuber.«
    Worauf sie beide zu lachen anhuben und mich mit Blicken voller geheimen Einvernehmens anschauten, daß ich nicht wußte, was ich davon halten sollte. Doch habe ich die Erfahrung gemacht, daß es am besten ist – so man von einer Rede gar nichts versteht –, die Sache von der lustigen Seite zu nehmen.
    »Ha, meine Damen!« sprach ich also lachend, »ist es nicht seltsam? Ich bin Arzt, doch Ihr wollet mir Behandlung angedeihen lassen!«
    Worauf ich sie auf die süßen Wangen und schönen Hände küßte und von Ihnen Abschied nahm. Oh, wie hold und bestrickend ist doch das schöne Geschlecht! Und wie würde ich es vermissen, hätte der Herrgott es nicht geschaffen! Und mit welch feurigen Augen blickte ich den beiden edelen Damen nach, welche lachend und schwatzend im schmeichelnden Rascheln ihrer goldbestickten Röcke davonschritten.
    Im Gastraum der
Drei Könige
war meine Abwesenheit von niemandem bemerkt worden, so groß war das Gedränge und so sehr waren alle damit beschäftigt, sich auf meine Rechnung und Kosten den Bauch vollzuschlagen, indes die Wirtin, unaufhörlich in Bewegung und einen jeden bedenkend, all die hungrigen Mäuler und durstigen Gurgeln in ebenso viele hübsche Sümmchen auf ihrer Anschreibetafel verwandelte, welche ich am folgenden Tag zu begleichen hatte. Und indes ich meine Augen auf meinen lieben Samson und – neben ihm – auf Miroul richtete, erblickte ich im Gespräch

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