Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
auch sind. Kurz gesagt, Herr Medicus, ich vermeine, Ihr habt in dieser Klinge eine treffliche Freundin, welche Euch, da sie kein Weib, nicht im Stich lassen wird.
La donna è mobile qual piuma al vento
1 , diese Freundin hier jedoch ist treu im Glanze ihrer beständigen und unanfechtbaren Tugend.«
»Ha, Giacomi!« sprach ich lachend, »kann man nicht auch vom Manne sagen, er sei
mobile qual piuma al vento
? Deine Dirne zu Genua verbittert dir noch den Sinn!
Ab una non disce omnes.
2 «
Bei diesen Worten dachte ich an meine Angelina, welche seit fünf Jahren auf mich wartete, ohne jemals in ihrem Entschluß zu wanken, beständig wie ein Fels in ihrer großen Liebe trotz der väterlichen Stürme. Oh, Angelina! dachte ich, sobald mein Samson wieder aus seiner Männerfalle heraus ist, mit welcher Freude werde ich dann eilen, dir die Insignien meines höchsten Grades zu Füßen zu legen, dank dessen ich in Ausübung der Heilkunst zu solchem Wohlstand zu kommen hoffe, daß ich dir eine Ehe gemäß deinem Stande zu bieten vermag.
»Herr Medicus, höret ihr mich?« fragte Giacomi. Aus meiner Entrückung wieder auftauchend, sah ich, wie Giacomi mir den Degen mit der Spitze nach unten gegen das Bein hielt.
»Ha!« sprach er, »dachte ich es mir doch! Er hätte einen guten Zoll länger sein sollen, alldieweil die Länge des Degens in einem ganz bestimmten Verhältnis stehen muß zur Größe dessen, der ihn gebraucht, welche Regel Euerm Schwertfeger nicht bekannt war, ein so guter Handwerker er auch gewesen sei.«
»Ein Zoll«, sprach ich, »wer sorgt sich wegen eines Zolls?«
»Ha, Herr Medicus!« sprach Giacomi, »zuweilen entscheidet ein Zoll über Leben oder Tod.«
Und auch während er vom Tode sprach, war sein Gesicht fröhlich und lustig. Doch vielleicht war es nur seine nach oben stehende Nase, die ihm dieses Aussehen gab.
Indes Giacomi also diskurrierte, possierlich lispelnd wie mein Bruder Samson und auf elegante und präzise Weise sich in vornehmem Französisch ausdrückend, die Rede von höchst anmutigen Gesten begleitet – nicht ohne daß man unter seiner
disinvoltura
1 eine gebändigte Kraft verspürte –, hörte Miroul, welcher die Sprache des Nordens leidlich verstand, des Italienischen jedoch völlig unkundig war, mit großem Erstaunen zu. Worauf Giacomi, welcher dies bemerkte, sich zu ihm hinkehrte und mit großer Freundlichkeit sprach:
» Compagno
, du trägst den Degen zur Linken. Ich schließe daraus, daß du Linkshänder bist.«
»Ein solcher bin ich.«
»Eccelente!«
sprach Giacomi.
» Eccelentissimo! E tutto a tuo vantaggio!
2 Und überdies sind deine Augen unterschiedlich in ihrer Farbe, welches ein Zeichen großer Behendigkeit und Gewandtheit ist.«
»Den Degen stets in der Linken«, sprach Miroul, erfreut über das Lob, »und mit der Rechten werfe ich das Messer.«
»Und wo trägst du das Messer,
compagno ?«
fragte Giacomi.
»Im Hosenbein.«
»Nur eines?«
»Nur eines.«
»Da du zwei Beine hast, solltest du auch zwei Messer haben«, sprach Giacomi lächelnd, wobei sich seine Mundwinkel so possierlich nach oben, in Richtung auf die großen Ohren bewegten, daß ich, davon angesteckt, ebenfalls lachen mußte wie auch Miroul.
Da trat die Wirtin herein, gab Miroul eine Fackel und richtete einige recht knappe Artigkeiten an mich, sichtlich erfreut, nunmehr schlafen gehen zu können, wobei ich wette, daß während des Schlafes die Zahlen der Rechnung in ihrem Kopfe wachsen würden wie die Leibesfrucht eines schwangeren Weibes.
Die Herberge
Zu den drei Königen
, von welcher ich nichtweiß, ob sie heutigentags noch zu finden ist in der Stadt Montpellier, steht gebauet gegenüber dem Turm gleichen Namens, welcher zwischen dem Lattes-Tor und dem Babote-Turm aufragt. Letzterer ist rund, von ziemlicher Dicke und nach Südwesten gerichtet; nach rechts wie nach links kann man von ihm die Stadtmauer einsehen, welche an selbiger Stelle fast geradlinig verläuft. Von den
Drei Königen
war es nur eine Viertelstunde Wegs bis zur Place des Cévennes, wo ich Quartier hatte bei Meister Sanche, dem berühmten Apotheker. Doch waren einige Vorsichtsmaßregeln geboten, wollte man diesen Weg des Nachts zurücklegen.
Den blanken Degen in der Linken, die Fackel der Wirtin hoch erhoben in der anderen Hand, ging Miroul drei Schritte voran, uns zu leuchten. Nachdem jedoch Giacomi mir zu bedenken gegeben, daß mein Diener als Linkshänder sich besser an meiner Linken halten sollte, um mir so, wenn notwendig,
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