Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
auf sie ein, daß ihnen Hören und Sehen verging. Einige der Banditen gaben den Kampf auf und verschwanden wieder in der Dunkelheit, aus der sie aufgetaucht waren, indes andere wie von Sinnen mit höchstem Ungestüm auf uns eindrangen und nach Rache und Tod schrien. Ihre rasende Heftigkeit war so groß, daß wir diesmal ein gutes halbes Dutzend auf das Pflaster streckten, ehe die anderen von uns abließen. Als die Waffen schwiegen, nahm Miroul mir die Fackel wieder ab, und Giacomi sprach leise zu mir:
»Herr Medicus, ist es noch weit bis zu Euerm Quartier?«
»Vierzig Schritt.«
»Und habt Ihr einen Schlüssel?«
»Ich habe einen.«
»Herr Medicus, dann werft ihnen eine Handvoll Dukaten hin und lasset uns Fersengeld geben. Lasset uns um unser Leben laufen. Den Dolch zwischen den Zähnen! Degen und Pistole in der Hand!«
Oh, Leser! Wie bedauerte ich diese Handvoll Dukaten in meinem hugenottischen Sinn! Und welch einen Stich gab es mir ins Herz, als ich dieses Gold auf dem Pflaster klingen hörte, über das ich es wie ein Sämann ausstreute, jedoch ohne jede Hoffnung auf Ernte. Als die Schnapphähne, sich darauf stürzend, auf allen vieren im Straßenkot herumklaubten, liefenwir davon, als ob der Boden unter unseren Füßen brannte, indes nur vier der Banditen versuchten, sich uns entgegenzustellen, davon Giacomi und ich jeder einen mit der Pistole über den Haufen schossen, worauf die beiden anderen augenblicks den Weg freimachten.
Allein, als sie uns fliehen sahen, schöpften etliche der Banditen wieder Mut, uns zu verfolgen, und wir hatten kaum den Eingang von Meister Sanches Haus erreicht, da waren sie dicht hinter uns. Um uns unserer Haut zu wehren, mußten wir unversehens eine Kehrtwendung machen und ihnen mit vorgehaltenen Klingen die Stirn bieten. Dies war der letzte und auch der heftigste Angriff, welcher mich in nicht geringe Verwunderung versetzte über den tollwütigen Mut dieser verzweifelten Banditen, die mir, bereits im Besitze meines Goldes, um jeden Preis ans Leben wollten, selbst wenn sie das ihrige daransetzen mußten, allein jenes seltsamen Ehrenpunktes wegen, welcher die Kriege unter den Geringen wie den Großen nicht enden läßt. Giacomi und Miroul, denen es leichtfiel, den Hauseingang zu verteidigen, wo ihnen keiner den Rücken durchbohren konnte, fanden Gefallen daran, unter den Schnapphähnen gehörig aufzuräumen. Nachdem ich Meister Sanches Tür geöffnet, mußte ich sie, man glaubt es kaum, zweimal rufen, ehe sie sich ins Haus begaben, nicht ohne daß Miroul vorher mit einem erschröcklichen Fluch (er als guter Hugenott!) den Angreifenden seine brennende Fackel ins Gesicht schleuderte.
Als die Tür wieder verriegelt, erschien Balsa, der hünenhafte Gehilfe von Meister Sanche, mit erschreckter Miene, eine Laterne in der Hand.
»Oh, verehrter Doctor und Medicus«, sprach er, »Ihr blutet ja!«
Und in der Tat sah ich, in einen kleinen Spiegel an der Wand blickend, daß meine Kopfhaut auf der linken Seite zwei Zoll lang aufgerissen war, eine kleine Wunde nur, weder ernst noch tief, aus der gleichwohl das Blut rann wie Landsknechtspisse, so daß Wange, Hals und Spitzenkragen ganz rot waren davon.
»Ha! Miroul!« rief ich unversehens, »mein Doktorhut mit seiner schönen Quaste ist auf dem Platze geblieben! Einer der Schurken hat ihn mir mit seiner Degenspitze vom Kopf gestoßen!«
Fast wäre ich wieder auf die Straße hinausgelaufen, ihn zusuchen, so sehr grämte es mich, daß den Halunken diese Trophäe in die Hand gefallen und noch dazu denselben Tag, da ich sie mit höchsten Ehren aus der Hand des Kanzlers Saporta erhalten. Doch ich mußte verbunden werden und auch Miroul, welcher an der Schulter beschädigt, allein Giacomi war unverletzt geblieben, so meisterlich war seine Fechtkunst, so geschwind seine Klinge, so sicher sein Stoß.
Wir hatten uns noch nicht niedergelegt, da erschien ein Schütze, welcher im Auftrag Cossolats nach uns fragen sollte; selbiger hatte nämlich, nachdem er endlich auf der Place des Cévennes angelangt war (die Stadtwache hatte in jener Nacht in einer Spelunke das Fell vergerbt bekommen), die von uns verwundeten Banditen festgenommen und diese, ohne sie erst lange in den Kerker zu sperren, sogleich an den Galgen gebracht.
Ich ersuchte Cossolat über den Schützen, er möge mir den Gefallen erweisen und meinen viereckigen Doktorhut suchen lassen, welchen ich gar dringend für meinen Umritt am folgenden Tage brauchte. Da am nächsten Morgen nichts von
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