Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
sprach ich, »es war mir nicht bekannt, wes Herkommens du bist, obgleich ich habe sagen hören, daß die italienischen Fechtmeister am französischen Hofe – sei es der des Königs oder des Herzogs von Anjou – sich wie Edelleute aufführen. Hierzulande, wie du wohl weißt, ist ein Fechtmeister nur ein Kriegsmann, wohlbewandert in seinem Handwerk, jedoch von geringer Bildung, einfachem Verstand und rauhen Manieren. Ich schätze dich, Maestro, weit höher als den besten unter ihnen, und da dir die Sach so sehr am Herzen liegt, will ich an Mirouls Statt dich zum Bettgenossen nehmen, da für dich allein keine Kammer im Hause ist.«
»Oh, Herr Medicus!« sprach Giacomi, »wie dankbar bin ich Euch für Eure unendliche, liebenswürdige und ritterliche Güte. Allein, ich bitt Euch, Ihr möget nicht denken, ich handelte aus eitler Prahlsucht und törichter Renommisterei. Nicht mich, sondern meinen Degen soll man zuvörderst achten, denn er ist für mich Handwerk, Kunst, Lebensart und Philosophie in einem. (Bei welchen Worten er seine lange, nervige, feingliedrige Hand an die Degenscheide legte.) Und wenn Ihr die Güte hättet, Euer Wohlwollen so weit zu steigern, mich mit ›Ihr‹ anzureden,anstatt mich zu duzen, so machtet Ihr mich überglücklich.«
»Maestro!« sprach ich lächelnd, »wenn es nur dessen bedarf, Euch zu halten, so will ich Euch vom ersten Morgenläuten bis zur Abendglocke herzen! Lasset Euch umarmen, Maestro!«
Und vor ihn hintretend, legte ich meine Arme um seine Schultern und küßte ihn auf beide Wangen, indes er den Kopf ein wenig herabneigte, mir mein Tun zu erleichtern, und meine Umarmung von Herzen erwiderte, indem er mir auf Schultern und Rücken klopfte.
»Herr Medicus«, sprach er, nachdem wir uns schließlich aus unserer Umarmung gelöst (wobei ich gewahr wurde, daß ihm einige Tränen der Rührung an den Wimpern hingen, welch letztere – schwarz, lang und dicht – seinem Blick etwas von jener unbeschreiblichen italienischen Samtigkeit verliehen), »Ihr hänget, wie ich vermeine, der reformierten Religion an?«
»Dem ist so.«
»Ich meinerseits bin Katholik«, sprach er mit einigem Ernst in seinem lächelnden Gesicht. »Und obzwar ich weiß, an welch zahllosen Übeln meine Kirche krankt, so gedenke ich sie doch nicht zu verlassen, da ich mich in ihrem Schoße fühle wie der beste ihrer ungeratenen Söhne: nicht sehr glücklich darinnen, draußen aber noch unglücklicher.«
»Welch glückliche Fügung!« sprach ich lächelnd und blickte ihm in die Augen, »ein lauer Papist und ein nicht gerade eifriger Hugenott; möge ein jeder die Wahrheit des anderen dulden.«
»Oder seine Irrtümer«, sprach Giacomi, mein Lächeln erwidernd. »Indes, Herr Medicus, was soll ich tun den lieben langen Tag, so ich bei Euch bleibe?«
»Maestro, Ihr werdet mich in den Feinheiten Eurer Kunst unterweisen. Ich fechte keine besonders gute Klinge, wie Ihr habt sehen können.«
»Keineswegs. Soviel ich im Scheine der Fackel gewahrte, fechtet Ihr auf französische Art, was heißen will: hitzig, leidenschaftlich, wie der natürliche Sinn es Euch eingibt. Dabei versuchet Ihr, Eure Fehler durch tadelhaftes Ausweichen des Körpers auszugleichen, und setzet oft die ganze obere Leibeshälfte in Bewegung, wo das Handgelenk genügen würde.«
»Ha, Maestro!« rief ich aus, »trefflich habt Ihr mich geschildert: den Degen so plump und ungeschickt in der Hand, als wär’s der Bratspieß eines Kochs. Doch nur Geduld! Ich will Euch ein gelehriger Schüler sein.«
»Und ich, Herr Medicus, Euer treuer Gefolgsmann«, sprach Giacomi, indes er sich in seiner anmutigen Art tief verbeugte und in seiner schönen und so wohllautenden Sprache Dante zitierte:
»Tu duce, tu signore et tu maestro!«
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»E tu maestro!«
rief ich aus. »Aber du duzt mich ja, Giacomi!« setzte ich lachend hinzu.
»Es ist ein dichterisches Duzen«, sprach Giacomi mit etwas beschämter Miene, welche er freilich nur aus Höflichkeit aufgesetzt, denn er war von einer Selbstsicherheit wie sonst keiner.
»Giacomi«, sprach ich im Überschwang des Augenblicks, denn ich hatte den Maestro schon mehr ins Herz geschlossen, als ich zu sagen vermochte, »ich habe einen jüngeren Bruder, welcher mir gar lieb und wert ist, und einen älteren, dem ich nur wenig zugetan. Willst du mir ein lieber Bruder sein, mir verbunden nicht durch Bluts-, sondern durch Wahlverwandtschaft?«
Worauf Giacomi zuvörderst schwieg, und obzwar er freundlich lächelte, spürte ich,
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