Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Cabusse beigebracht, neu erlernen müßte; denn ohne daß Giacomi den Körper bewegte, ja nicht einmal den Arm, wie mir schien, handhabte er seine Klinge so meisterlich, daß sie jeden Stoß parierte und, so er gewollt hätte, mir jedes lebenswichtige Körperteil mehrmals durchbohrt hätte.
Noch heute sehe ich meinen Giacomi in jener ersten Fechtstunde vor mir (von welcher sich Miroul, auf einem Hocker sitzend, keine Einzelheit entgehen ließ): hochgewachsen und anmutig, in exakter, untadeliger Haltung, die langen Glieder spinnengleich, in seiner Lebhaftigkeit einem Vogel nicht unähnlich, die dunklen Augen weit hervorstehend, das Gesicht wie versteinert in artiger Höflichkeit, während er zeremoniell meine schwere Klinge abwehrte und die seinige auf mich zustieß, ihren Lauf bremsend, ehe sie mich erreichte.
»Pierre«, sprach er schließlich, indem er zwei tänzelnde Schritte nach rückwärts tat, »aufgepaßt! Ich werde sogleich die Ehre haben, Euch zu entwaffnen!«
Bei diesen Worten erwies er mir eine elegante, weitausladende Ehrenbezeugung mit seiner Waffe. Seine gelassene Überzeugtheit erfüllte mich mit einigem Zweifel, doch traute ich meinen Augen nicht, als meine Rechte unversehens leer war und mein Degen in hohem Bogen bis zum anderen Ende der Kammer flog.
»Ha! mein Bruder!« rief ich, »da ist Hexerei im Spiel!«
»Hexerei!« erwiderte Giacomi, dem dieses Wort höchstlich zu mißfallen schien, »o nein, mein Pierre, dies verlangt Kunst und Wissen! einen durch Kenntnis geschärften Sinn und eine durch ständige Übung erworbene Meisterschaft in der Ausführung!«
Den folgenden Tag erhielt ich einen Brief von meinem Vater, in welchem er mir beschied, da ich nun zum Doctor der Medizin erhoben und Samson seit einem Jahr schon zum Meister geworden, daß wir beide unserem Scholarenleben zu Montpellier adieu zu sagen und uns wieder auf Mespech zu verfügen hätten, »wo er, obgleich wir keine Verlorenen seien, ein gemästet Kalb schlachten wollte für seine geliebten Söhne, für Meister Giacomi, dem er mein Leben verdanke, und auch für den wackeren Miroul, welchen er weit über seinen Stand hinaus schätze.«
Ich setzte mir noch acht Tage Frist, um Abschied zu nehmen von der trefflichen Thomassine, von Cossolat, von Madame de Joyeuse, welche sich schier die Augen aus dem Kopfe weinte und mich an ihre Brüste drückte, als ob sie nie mehr von mir lassen wolle. Sie ließ mich schwören, daß ich zurückkommen würde, sobald ich dies vermöchte, ohne die Herren Brüder zu kränken, und ließ mir in ihrer wunderbaren Großherzigkeit abermals ein ansehnlich Stück Geld einhändigen, neue Kleider damit zu kaufen für meinen Bruder und mich, für Giacomi, welcher schon ganz abgerissen aussah, und auch für Miroul, so daß wir in aller Ehre und in geziemlicher Ausstaffierung in der Baronie meines Vaters erscheinen könnten.
DRITTES KAPITEL
Im Königreich herrschte seit dem Edikt von Saint-Germain zwischen Papisten und Hugenotten eine Art Frieden, unverläßlich und nur widerwillig eingehalten wie alle vorangegangenen, mit so vielen Übergriffen gegen die Unseren, daß wir uns nicht entschließen konnten, dem König die Festungsplätze zu übergeben, wie es unsere Pflicht nach dem Edikt gewesen wäre. Trotzdem erschien es mir ohne große Fährnisse möglich, den längeren und leichteren Weg zu nehmen, was heißen will: den über Carcassonne, Thoulouse und Montauban, so daß wir nicht die Berge der Cevennen und der Auvergne zu überqueren hatten, was für uns ein höchst langsames Fortkommen und für unsere Reittiere gar große Beschwerlichkeiten bedeutet hätte. Und diese Entscheidung erwies sich als gut und richtig, blieben wir doch unterwegs unbehelligt von Angriffen und Hinterhalten der Strauchdiebe und hatten auch sonst keine Abenteuer zu bestehen außer den nichtkriegerischen in jenen Herbergen, in welchen die Hausmägde, um die Kundschaft zu mehren, gehalten sind, nicht nur den Hunger der Männer nach Speise und Trank zu stillen. Allein, ich gab mich mit Maßen solchen Annehmlichkeiten hin, denn wir verweilten an diesen Orten nur so lange, bis unsere Pferde ausgeruht, welche Zeit meinem lieben Samson schon recht lang wurde, da in Abwesenheit der Dame Gertrude de Luc seine Tugendhaftigkeit unerschütterlich war, die meinige jedoch nicht, wie man weiß, und auch die Mirouls nicht, ebensowenig wie die meines Bruders Giacomi, welcher gar herrlich anzuschauen war in seinem Wams von scharlachrotem Samt,
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