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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ihm eintraf, ließ ich über einen Ausrufer in der ganzen Stadt verkünden, wer ihn mir wiederbrächte, erhielte eine Belohnung von zwei Dukaten (alles Geld, was mir noch verblieben). Allein, dies hatte keinen anderen Erfolg, als unter den Bürgern und Bewohnern der Stadt die Kunde von unserem nächtlichen Kampf zu verbreiten, über welchen die Schützen Cossolats, die nichts davon gesehen, bereits überall geschwatzt hatten, von Mal zu Mal mehr übertreibend, so daß es schließlich hieß, Giacomi, Miroul und ich hätten in jener Nacht wohl an die hundert Banditen niedergemacht oder verwundet.
    Der Verlust meines Doktorhutes machte mir indes nicht geringe Sorge, und ich schrieb deshalb an meinen »Vater« Saporta, welches Schreiben Miroul ungesäumt überbrachte, worauf der Kanzler gar weise antwortete: da ich den Kopf verbunden hätte und aus dieser Ursach keinen Hut zu tragen vermochte, gestatte er mir folglich, meinen Triumphzug ohne die zu meinem Grade gehörige Kopfbedeckung anzutreten.
    Ein Triumph war mein Zug durch die Straßen nicht nur dem Namen nach, denn mir ward überall und von allen gar herzlicher Jubel zuteil, nicht weil ich Doktor geworden (was in dieser Stadt, allwo jährlich ein Dutzend davon sowohl in den freienKünsten als auch in Medizin und Recht gemacht wurden, niemanden mehr verwunderte), sondern weil ich mit meinen Gefährten den Degen so wacker gegen die Räuber geführt, welche allhier ein Schrecken aller ehrlichen Leute waren, indem sie im Schutze der Nacht gar schreckliche Untaten begingen, Türen erbrachen, selbst Standespersonen und reiche Bürger umbrachten, Weiber und Jungfrauen Gewalt antaten.
    Das schwarze Fell meiner Stute Accla glänzte über alle Maßen, war doch Miroul noch am Morgen mit dem Striegel zu Werke gewesen, obgleich er noch an seiner Wunde in der Schulter litt, welche zum Glück nur die linke war. Mit unendlicher Geduld hatte er am Abend vorher Strähne um Strähne rote Seidenbänder in ihre Mähne und ihren Schwanz geflochten, und rot war auch die Satteldecke, der Sattel selbst fahlgelb, aus glänzendem Schweinsleder höchst kunstvoll verfertigt von unserem Pétromol auf Mespech. In solchem Aufzug – vor mir der Pedell Figairasse und die Musikanten, lustige Weisen spielend, hinter mir die königlichen Professores, die ordentlichen Doctores, die Lizentiaten und Baccalauri, alle in ihren langen Talaren, die einen auf Pferden, andere auf sanften Maultieren – ritt ich durch die schönsten Straßen Montpelliers inmitten einer großen Volksmenge, welche ohrenbetäubenden Beifall zollte, als hätte ich am Vortage den Drachen getötet, der sie in Furcht und Schrecken versetzt. Der Leser vermag sich wohl leicht vorzustellen, daß es mir tausend Freuden bereitete, in derselbigen Stadt, wo ich allen verhaßt gewesen aus der Ursach, daß ich die Leiden des gottesleugnerischen Abbé Cabassus auf dem Scheiterhaufen verkürzt, nunmehr derart vom Volke gefeiert zu werden, und ich ritt unendlich stolz auf meiner schönen Accla dahin; jedoch ließ ich mir, mit gelassener, unbewegter und gleichsam undurchdringlicher Miene dreinblickend, nichts davon anmerken und erwiderte nur bei gegebenem Anlaß die begehrlichen Blicke der Schönen, welche, artig in die Hände klatschend, an ihren blumengeschmückten Fenstern standen.
    Nach geendigtem Umritt verfügte ich mich ungesäumt zu dem Palais von Madame de Joyeuse, doch will ich kein einziges Wort vermelden von dem, was dort geschah, alldieweil einige zartbesaitete Damen, welche den ersten Teil vorliegender Memoiren gelesen, sich in ihrem tugendhaften Sinn verletzt gefühlt haben durch die Lüste, welche ich mich, von derErinnerung überwältigt, zu schildern habe hinreißen lassen. Und wiewohl ich vermeine, jene Damen hätten mehr Ursach, Anstoß zu nehmen an dem, was sie im alltäglichen Leben in ihrer Umgebung zu Gesicht bekommen, denn an all dem, was sie an Pikanterien in Büchern zu lesen vermöchten, liegt mir zuviel an ihrer Geneigtheit, um ihnen fürderhin solches zuzumuten.
    Wenn man bedenkt: wie ist doch der Schicksalslauf des Menschen! Kaum daß ich nach meinen
triduanes
mit höchsten Ehren zu einem Doctor erhoben, wäre ich um ein Haar den folgenden Tag, entseelt von den Messern der Banditen, in die Erde gesenket worden. Nachdem ich diesem Mord und Totschlag entgangen, ward ich den übernächsten Tag von dem braven Volk als ein Held und Engel gefeiert. Und noch denselbigen Abend koste ich als glücklicher Liebhaber meinen

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