Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Ritterlichkeit, mich ungehindert meines Weges ziehen zu lassen.«
»Ho ho, Gelbschnabel!« erwiderte Fontenac, »Ihr wißt Eure Zunge gar trefflich zu gebrauchen. Doch versteht Ihr auch Euern Degen trefflich zu gebrauchen?«
»Was!« sprach ich, »ein Duell? Mit mir? Herr Baron, so weit werdet Ihr Euch nicht herablassen, ich bin Euch kein angemessener Gegner! Warum fordert Ihr nicht den Helden von Ceresole und Calais zu ehrlichem Kampf heraus?«
»Dieser vorgebliche Held«, stieß Fontenac zwischen den Zähnen hervor, »ist in Wahrheit eine nichtswürdige Knechtsseele. Sein Vater war Lakai.«
Worauf ich einen gar starken Druck von Giacomis Stiefel verspürte; diesmal jedoch war ich nicht willens, dem stummen Rat zu folgen, und sprach mit schneidender Stimme, jedes Wort deutlich artikulierend:
»Monsieur, mein Großvater war niemals Lakai, sondern Apotheker zu Rouen. Und mein Vater, welcher in der Normannischen Legion diente, stieg dort zum Hauptmann und Junker auf. Er wurde auf dem Schlachtfeld zu Ceresole d’Alba vom Herzog von Enghien zum Ritter geschlagen. Und König Heinrich II. machte ihn nach der Einnahme von Calais zum Baron. Herr de Fontenac, wenn Ihr Eure Worte wiederholt, dann werde ich sie hören.«
»Ich wiederhole sie«, sprach Fontenac mit blitzenden Augen und hocherhobenem Kopf.
»Herr Baron, dafür werdet Ihr mir Genugtuung geben.«
»Hier und auf der Stelle!« rief Fontenac mit höchstem Frohlocken. »Würde Euch die kleine Wiese dort unterhalb des Weges zusagen?«
Mir war dieses Stück Wiese wohlbekannt, denn sie gehörte einem Bauersmann namens Faujanet, einem Vetter von unserem Faujanet, und bildete eine Enklave in unseren Ländereien, welche die Herren Brüder in ihren Besitz zu bringen suchten, doch der Kerl wollte dieses Stück Land nicht verkaufen, weil es trotz der Nähe der Beunes nicht versumpft war, sondern guten, fruchtbaren Boden aufwies.
»Gewiß«, sprach ich, »sie sagt mir zu.«
»Mein Bruder«, flüsterte Giacomi, »gebet acht, daß die Pistole nicht fällt, welche unter Euerm Gesäß steckt.«
Ich nickte, und beim Ablegen meines Umhangs gelang es mir, sie in die Satteltasche gleiten zu lassen, ohne daß dessen jemand gewahr wurde.
»Mein Bruder«, sprach Giacomi leise, »leget Euer Wams ab und fordert den Baron auf, ein Gleiches zu tun.«
Was ich auch tat, doch der Baron schüttelte auf meine Aufforderung hin nur wortlos den Kopf.
»Ha!« sprach Giacomi, »ich dachte es mir, da er sich so steif auf seinem Pferd hält: der Schuft trägt ein Kettenhemd unter dem Wams! Pierre, du kannst deine Stöße nur auf Gesicht und Hals richten.
»Mein Bruder«, sprach Samson mit bleicher Miene, »soll ich diesen Ehrlosen nicht augenblicks niederschießen, welcher in einem Duell, in dem sein Gegner nur ein Hemd trägt, entgegen allem ehrlichen Brauch mit einem Harnisch angetan antritt?«
»Hütet Euch, Samson! Die Papisten würden gleich Mord schreien!«
Worauf ich absaß und, nachdem ich Samson die Zügel meiner Accla zugeworfen (damit er, mit seinem Roß und dem meinigen beschäftigt, keine Hand zum Schießen frei habe), die Hände auf den Sattel legte und mit gesenktem Kopf also verharrte.
»Was treibt Ihr da?« schrie der Baron. »Was soll dieses Zögern? Verläßt Euch der Mut?«
»Ich bete zu Gott, dem Herrn, ehe ich mich in den Kampf begebe.«
Doch in Wahrheit – möge Gott mir verzeihen – betete ich nicht, sondern wollte von Giacomi noch einige seiner klüglichen Ratschläge hören. Giacomi, welcher sogleich verstandenhatte, faltete die Hände und sprach mit leiser Stimme, indes er zu beten vorgab:
»Mein Bruder, dieser Schurke hat das vierzigste Jahr seines Alters überschritten, er ist kräftig, aber auch ziemlich beleibt und dazu noch durch das üble Kettenhemd belastet. Bringt ihn aus dem Atem! Verlegt Euch aufs Parieren und Ausweichen! Umschwirrt ihn wie die Fliege den Löwen! Reizt ihn zum Angriff und weicht aus! Und hütet Euch vor seinen heimtückischen und hinterhältigen Listen, wie daß er Euch sein Barett ins Gesicht wirft, Euch blind zu machen. Und vergeßt nicht: zurückweichen und ausweichen! Laßt Euch auf keinen Nahkampf ein! Er würde Euch zermalmen! Also nochmals: Löst Euch von ihm! Wenn er Euch ständig nachjagen muß, werden ihm die Beine weich, der Arm langsam und das Hirn verwirrt. Überdies, je mehr sich der Kampf hinauszögert, desto größer die Möglichkeit, daß Hilfe von Mespech kommt. Eurerseits waget nichts, versuchet nichts, was
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