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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Finesse.
    Zudem hatte ich stets ein achtsames Auge für alle seine Bewegungen, denn bei diesem heimtückischen Schurken war jederzeit eine üble List zu gewärtigen. Und als ich ihn mit der Hand, welche den Dolch hielt, nach seinem karmesinroten Barett greifen sah, wich ich augenblicks mehrere Schritte zurück, weil ich vermeinte, er wolle es mir ins Gesicht schleudern, mir die Sicht zu nehmen. Statt dessen aber schwenkte er nur zweimal hin und her und ließ es auf das Gras fallen. Gewißlich war das ein verabredetes Signal, denn augenblicks fielen drei oder vier Schüsse, welche mich um ein Haar das Leben gekostet hätten; wie der Baron wohl erwartet hatte, wendete ich nämlich mein Auge angstvoll zu den Meinen auf dem Weg und wäre in diesem Augenblick von seiner Klinge durchbohrt worden, hätte ich nicht, geleitet von der Vorsehung oder von meinem Instinkt, eine Ausweichbewegung vollführt, so daß die Klinge zwischen meinem linken Arm und meinem Leib hindurchfuhr und mir nur das Hemd aufschlitzte, ohne mich zu verletzen.
    Ich wich zurück und begann wieder, um den Baron herumzutänzeln, fast nach Belieben angreifend und ausweichend, höchst erleichtert nach dem Blick auf den Weg zu den Meinen, denn nachdem ich diese aufrecht auf ihren Rössern, ohne Verwundung noch Verletzung gesehen, war mein Herz mit Freude erfüllt, und mir erwuchs neuer Mut für die Fortführung des Kampfes. Doch möge es dem Leser belieben, mich einen Augenblickauf meiner Wiese diesen Gefühlen zu überlassen und sich, indes ich dort, Dolch und Degen dem schrecklichen Baron entgegengestreckt, gleich einem gemalten Bild unbeweglich verharre, dem Weg zuzuwenden, auf daß er erfahre, was ich später erfuhr und was ich ihm sogleich mitzuteilen gedenke, nämlich was dort geschah, nachdem der Baron sein Barett geschwenkt.
    Wie ich vermutet, fiel es meinem Samson gar nicht leicht, meine Accla und gleichzeitig sein eigenes Roß im Zaum zu halten, zumal er, mit aufmerksamem Auge meinen Kampf verfolgend, nicht seine ganze Mühe walten ließ. Was meiner Accla nicht entging, welche, gar sehr erregt durch die Anwesenheit eines Hengstes auf der anderen Seite, denn sie war rossig, wie ich wetten will, in größte Unruhe geriet, mit dem Hinterteil tänzelte, den Kopf zurückwarf, durch die Nüstern schnob und hinterhältig mit dem Huf nach Samsons Wallach schlug, als wolle sie ihm vorwerfen, daß er verschnitten sei. Und obzwar der Wallach nicht zurückschlug, denn er hatte für gewöhnlich größte Angst vor meiner Stute, wurde er doch durch den Schmerz ebenfalls sehr unruhig, was es meinem Bruder noch schwerer machte, meine Accla zu zügeln, welche schließlich, da sie nicht mehr die Hand ihres Herrn am Zügel verspürte und auch nicht den eisernen Druck meiner Schenkel, völlig außer Rand und Band geriet, wild an den Zügeln zerrte, als wolle sie sich losreißen, und wiehernd Beine und Kopf hochwarf. In diesem Augenblick gab der Baron das verabredete Zeichen für seine Arkebusenschützen, welche sich – wie Giacomi richtig vermutet hatte – in den Büschen des Hanges versteckt hielten und sogleich beide ihre Büchse auf meinen Samson abfeuerten. Und so ward meine arme Accla, die sich in ihrer Wildheit eben hoch aufbäumte, von einer der Kugeln in den Hals und von der anderen in den Kopf getroffen, worauf sie augenblicks zu Boden stürzte. Da sich nun die beiden Schützen durch den Pulverdampf zu entdecken gegeben hatten, ergriff Giacomi augenblicks die Pistole, welche zwischen seinen Schenkeln versteckt lag, und schoß auf den einen und Miroul auf den anderen, welche Schüsse ihr Ziel glücklicherweise nicht verfehlten, worauf die beiden Buben den Hang heruntergerollt kamen und vor den Beinen der Pferde unserer Feinde liegenblieben, was unter den letzteren gar heftige Bestürzung verursachte.
    Samson seinerseits hatte, langsam und etwas verträumt, wieer immer war, von all dem nichts bemerkt, denn er sah nichts anderes als meine tote Accla und dachte an nichts anderes als an meine Verzweiflung über diesen Verlust. Von solcher Qual gestachelt, ergriff er schließlich seine Pistole, richtete sie auf den Junker von Malvézie und rief mit seinem ergötzlichen Lispeln:
    »Was sehe ich, mein Herr? Ihr habt unsere Accla getötet?«
    Worauf Junker von Malvézie, seine beiden leeren Hände erhebend, daran in der Tat nichts vom Blut seiner früheren Opfer zu sehen war, in einem über alle Maßen scheinheiligen Tone, welcher gar nicht passen wollte zu seiner

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