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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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meine Hand vom Leben in den Tod befördert. Ich wagte meinen Augen kaum zu trauen, denn auf den Boden hingestreckt erschien er mir noch größer als im Stehen und sein Gesicht noch abscheulicher und gemeiner, als es mir je in unserem Kampf gedeucht, trotz seiner unflätigen Beschimpfungen. Da er sich jedoch nicht mehr rührte, lief ich zum Weg zurück, wo – wie mir von ferne schien – ein Handgemenge zwischen seinen Leuten und den meinen im Gange war.
    Man kann Junker von Malvézie das Verdienst nicht streitig machen, daß er unter dem ganzen Gesinde Fontenacs der erste war, welcher sich zur Flucht entschloß, als er den Baron zur Erde stürzen sah, wobei er keinen weiteren Gedanken darauf verschwendete, herauszufinden, ob der Baron tot war oder nicht. Während er also mit bewundernswürdiger Schnelligkeit das Hasenpanier ergriff und dabei den Pfarrer Pincettes am Zügel seines Pferdes mit sich zog, traten seine Spießgesellen den Unseren mit gezogenem Degen entgegen, entschlossen, ihnen nicht das Feld zu überlassen, da sie sich zu fünft den dreien überlegen fühlten, wobei sie allerdings unsere Pistolen außer acht ließen, an welche seltsamerweise auch die Meinen nicht dachten, die sich den Schurken mit blanker Klinge entgegenstellten.
    Sobald ich von der Wiese auf den Weg gesprungen, erblickte ich meine tote Accla, welcher Anblick mich so mit Bestürzung und Schmerz erfüllte, daß ich wie versteinert stehenblieb und um ein Haar von der Klinge eines der Halunken durchbohrt worden wäre, hätte Giacomi sie nicht in allerletzter Sekunde mit dem Lauf seiner Pistole abgelenkt, welche er immer noch, jedoch ohne sie abzufeuern, in der Hand hielt.
    »Sapperment!« schrie ich, plötzlich von wildem Zorn erfaßt, »schießt doch!«
    »Was!« sprach Giacomi, »auf Leute schießen, welche uns nur mit dem Degen bewaffnet entgegentreten?«
    »Schieß, Giacomi!« schrie ich. »Sollen noch mehr Leben geopfert werden als das meiner Accla?«
    Und da zu meinem übergroßen Grimm weder Giacomi noch mein Bruder noch Miroul tat, was ich geheißen, zog ich eine Pistole aus der Satteltasche meines Samson und streckte unversehens einen der Elenden nieder. Dies war zuviel für sie. Der Mut verließ sie, sie wendeten ihre Pferde und sprengten mit verhängten Zügeln davon.
    »Und Malvézie«, rief ich, »was ist mit diesem Hund von Malvézie?«
    »Er ist geflohen«, antwortete Samson, mir sein unschuldiges Gesicht zuwendend, welches strahlte vor Freude, daß ich unverletzt war.
    »Sapperment, ihr habt ihn fliehen lassen!« schrie ich. »Miroul, dein Pferd!« Und indem ich mich in den Sattel schwang, rief ich: »Freunde, mir nach! Das ganze Wespennest muß unverweilt ausgeräuchert werden, wenn wir Frieden haben wollen!«
    Ich wartete nicht auf sie, sondern ritt gleich los. Doch der Wallach meines Miroul hatte eines seiner Eisen verloren und galoppierte mit einem lahmenden Hinterfuß den steinigen Weg entlang, welcher seinem weichen Huf einige Schmerzen verursachte. Und so ward ich zu meinem Kummer von Samson, alsdann von Giacomi und zu guter Letzt auch noch von Miroul überholt, welcher das Packpferd, dessen Lasten er abgenommen, ohne Sattel ritt. Ich folgte ihnen mit Müh und Not – ich, der ich doch ihr Gebieter war! o welche Schande! Indes mir fast die Tränen in die Augen traten vor Grimm, meiner kleinen Kriegsschar als Nachhut hinterhertraben zu müssen, sah ich von fern, wie einer der Leute Fontenacs sich von den anderen trennte und über eine große Wiese lief, welche sich dort in dem breiter gewordenen Beunes-Grund erstreckte. Ich setzte ihm sogleich nach in der Hoffnung, daß mein Pferd im Gras leichter vorankommen möchte, was in der Tat so war, denn es griff mit jedem Galoppsprung wackerer aus, so daß ich den Kerl eingeholt hatte, ehe er am Rande der Wiese im Wald verschwinden konnte.
    »Oh, Moussu!« schrie er, als er meinen Degen über sich sah,»Gnade! Tötet mich nicht! Ich bin kein Soldat des Barons, sondern nur sein Korbmacher!«
    »Aber du hättest mich getötet, obwohl du nur ein Korbmacher bist!«
    »Nur unter Zwang, Moussu, auf Befehl des Barons! Ich selbst hege keinen Groll gegen Euch, Moussu, und auch nicht gegen die Euren, ich bin doch der Vater der Gavachette.«
    »Was?« rief ich verblüfft und senkte meine Klinge, »du warst jener Zigeunerhauptmann …«
    »Oh, Moussu«, sprach der Zigeuner, »ich war kein Hauptmann, das gab ich nur vor, denn ich trug ein gar großes Verlangen nach der schönen Jungfer,

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