Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Béqueret, welche dunkelhaarig war wie ihr Ehegemahl und wie dieser einen gutmütigen, jedoch festen und durchdringenden Blick hatte, »so lasset uns wenigstens die Gesellschaft unseres liebenswürdigen Zunftbruders.«
»Oh, Madame«, entgegnete ich, »Samson einen ganzen Monat in Euerm Hause! Er würde Euch schön auf der Tasche liegen!«
»Keineswegs!« antwortete Dame Béqueret, »bei meinem Wort als Normannin (denn sie stammte aus jener Provinz). Euer Bruder könnte meinem Manne große Hilfe und Beistandin seiner Offizin gewähren, vermag er doch kaum die Nachfrage zu befriedigen, da gegenwärtig und den ganzen Monat August eine gar große Menge Volkes sich in Montfort aufhält.«
Bei diesen Worten sah ich die Augen meines Samson aufleuchten, allein so gern ich dem Wunsche Samsons und dem unserer Gastgeber nachgekommen wäre, so konnte ich doch nicht zulassen, daß er sich hier hinter den Apothekergefäßen vergrübe, wo ihm das Schicksal die Gelegenheit bot, die schönste Stadt des Königreiches oder gar – nach den Worten Monsieur de Montaignes – der ganzen Welt zu besehen. Und wiewohl mein Gastgeber alljetzt so abgeneigt war, uns ziehen zu lassen, wie er zuvor gewesen, uns aufzunehmen, beraumte ich unsere Abreise für den folgenden Tag an. Als solches Miroul hörte, welcher der Hausmagd Béquerets bei Tische aufwarten half und mit dieser hübschen und gar koketten Jungfer die ganze Abendmahlzeit über vielsagende Blicke getauscht, sprach er zu mir:
»Moussu, dies wird nicht möglich sein! Eure Pompea braucht vorn zwei neue Hufeisen. Das muß erst gerichtet werden, ehe Ihr weiterreiten könnt.«
»Dann werden wir dies morgen richten lassen«, sprach ich verdrossen.
»Dies wird nicht möglich sein«, entgegnete Miroul, der Hausmagd mit seinem braunen Auge zublinzelnd, »morgen ist Sonntag, und also wird der Schmied kein Werk tun.«
»Zumal er«, setzte Meister Béqueret hinzu, »mit den vielen normannischen Edelleuten, welche nach Paris reiten, mehr Kundschaft hat, denn er zu bedienen vermag. Es wäre ein Wunder, wenn er Euer Pferd am Dienstag beschlagen könnte.«
Worauf Mirouls braunes Auge gar freudig dreinzublicken begann.
›Sapperment!‹ dachte ich mit Grimm, ›noch drei Nächte in diesem Nest, wo doch Paris so nahe ist!‹ Und ungehalten über diese Verzögerung, warf ich Miroul einen bösen Blick zu, als wäre er daran schuld, daß mein Pferd beschlagen werden mußte. Giacomi, welcher ebenfalls Miroul anblickte, allerdings freundlicher als ich, dann die Hausmagd und sodann mich, hatte verstanden, daß diese Verzögerung einzig und allein Miroul zupasse kam – was, wie er wohl sah, mir wider den Strich ging, zumal ich dem Diener sein Vergnügen nun nichtmehr streitig machen konnte; er lächelte und sprach zu mir auf italienisch:
»Il saggio sopporta pazientemente il suo dolore.
1
«
»E’vero, Dio!
2
«
rief Meister Béqueret, welcher seine Ehre darein setzte, italienisch zu sprechen, was in Paris gar sehr in Mode war, seit die Florentinerin das Regime im Königreiche führte.
Den folgenden Tag befand ich mich noch in der mir überlassenen Kammer, nur mit den Beinkleidern angetan und noch ohne Hemd, als es an der Tür klopfte und Meister Béqueret eintrat, mich gar höflich grüßte und zu mir sprach:
»Oh, Monsieur de Siorac! wie bin ich froh, auf Eurer Brust diese Medaille der gebenedeiten Jungfrau zu sehen. Aus gewissen Anzeichen hatte ich gemutmaßt, ihr wäret Hugenotten, und wußte nicht, wie ich Euch bitten sollte, mit mir heute morgen zur Messe zu gehen, denn es wäre für mich und die Meinen hier zu Montfort höchst gefährlich, wenn jemand Verdacht schöpfen könnte, daß ich Ketzer beherberge, welche allhier – wie auch zu Paris – über alle Maßen verhaßt sind.«
»Verehrter Meister«, erwiderte ich, »Eure Vermutung war richtig. Ausgenommen Maestro Giacomi, hängen wir drei, Herren wie Knecht, der reformierten Religion an. Und diese Medaille trage ich nur auf Bitten meiner dahingeschiedenen Mutter, welcher ich an ihrem Totenbett versprechen mußte, sie bis zum Ende meines Lebens nicht abzulegen. Ihr, verehrter Meister, habt Euch uns gegenüber jedoch so liebenswürdig und dienstfertig erwiesen, daß ich Euch kein Ungemach verursachen und Euch zu Gefallen mit zur Messe gehen will.«
»Gott danke es Euch!« rief Meister Béqueret. »Ihr habt eine schwere Last von mir genommen! Obgleich ich ein aufrichtiger Katholik bin, ist blinder Eifer mir doch fremd, und ich
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