Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Bruder, Meister Giacomi und Ihr selbst, Ihr wollt mich so schnell wieder Eurer jungen und frischen Gesichter berauben? Kaum angekommen, wollet Ihr schon wieder aufbrechen!«
»Wir dürfen allhier nicht zu lange verweilen, Monsieur de Montaigne, denn als Verfolgte laufen wir jederzeit Gefahr, aufgegriffen und in den Kerker geworfen zu werden.«
»Das ist nur zu wahr«, seufzte er. »Ach, wie gern wäre ich mit Euch geritten! Dabei versage ich mir das Reisen mitnichten, war vor zwei vollen Jahren in Paris und habe während meiner Abwesenheit die Führung des Hausstandes meiner Frau überlassen, welche neben anderen hochlöblichen Tugenden auch die der Sparsamkeit besitzt. Manche«, so fuhr er fort, »klagen, das Reisen sei der Pflicht der ehelichen Zuneigung abträglich. Doch ich vermeine dies nicht. Das ständige Zusammensein kommt nicht dem Vergnügen gleich, welches es bereitet, sich nach gelegentlicher Trennung wiederzusehen. Im übrigen haben wir bei unserer Eheschließung nicht vereinbart, ständig wie die Hunde einer am anderen zu hängen. Und ich halte dafür, daß ein Eheweib seine Augen nicht nur begierig auf die Vorderseite ihres Ehegemahls fixiert haben darf, sondern auch einmal seine Rückseite kennen muß sehen!«
Ich lachte über diesen Scherz wie auch Giacomi, aber nicht Samson, welcher, den Blick gesenkt, sich meilenweit weg gewünscht hätte, so sehr war er in seinem Schamgefühl verletzt.
»Monsieur de Siorac«, fuhr Montaigne fort, »verstattet mir alljetzt, daß ich für ein Weilchen schweige, denn es ermüdet mich und ist mir auch beschwerlich, mit gefülltem Magen zu sprechen. Doch indes ich schweige, macht mir, ich bitt Euch, das Vergnügen und berichtet mir von dem Abenteuer, welches Ihr mit einem diabolischen Frauenzimmer auf dem Friedhof zu Montpellier gehabt haben sollt.«
»Oh, Monsieur!« rief ich aus, »obwohl die Mangane schließlich auf dem Scheiterhaufen endete, war sie doch keine solche Hexe, wie ich zuerst vermeinet, und den Teufel hatte sie auch nur bildlich gesprochen unter ihrem Rock.«
»Berichtet mir die Sache trotzdem«, sprach Montaigne, die Hände über seinem Schmerbauch gefaltet und mich mit seinen schönen, glänzenden Augen anblickend.
Dies tat ich auch, obgleich ich einige Scham verspürte, die Angelegenheit in Anwesenheit meines lieben Samson zu berichten, welchem ich sie bis dato verschwiegen und der seine himmelblauen Augen gar weit aufsperrte, als er derlei törichte Unzüchtigkeiten vernahm. Und aus solcher Ursach will ich auch hier kein Wort weiter davon verlauten lassen, denn ich möchte – wie bereits vermeldet – die zartbesaiteten Damen nicht verletzen, welche mir Vorhaltungen wegen meiner Offenheit gemacht.
»Was die Hexen betrifft«, sprach Montaigne, als ich geendigt, »so sehe ich, daß alle Welt daran glaubt oder daran zu glauben vorgibt, allen voran Ambroise Paré, welcher mich in diesen Dingen nicht zu überzeugen vermag, denn er ist zwar ein großer Arzt, jedoch außerhalb der Heilkunde wenig beschlagen. Als ich vormals in Bordeaux mit einem Hexenprozeß befaßt, in welchem alle schon vor dem Urteil nach dem Scheiterhaufen schrien, die Pfaffen wie das gemeine Volk, wollte ich mir das Urteil nicht im voraus aufnötigen lassen und ging hin, mir diese armen Frauenzimmer anzusehen und ohne Henkers- noch Folterwerkzeug mit ihnen zu sprechen. Ich fand sie zwar völlig irr und wirr im Kopf, doch vom Teufel keine Spur außer in ihrer Einbildung, so daß ein Nieswurztrank zur Heilung ihrer Sinne viel eher angebracht gewesen wäre als der Schierlingsbecher.«
Ich war höchst erfreut, Monsieur de Montaigne solcherart sprechen zu hören, denn ich hatte zu Montpellier nur wenigeLeute gefunden, welche nicht glaubten, was Richter und Pfaffen für wahr hielten, wenn sie so viele von diesen Unglücklichen auf den Scheiterhaufen schickten, welche, nachdem sich ihr Verstand verwirrt und sie dies dem Teufel zugeschrieben, sich so weit in ihrer Verwirrung steigerten, daß sie Narrheiten begingen, bei denen sie die Riten der Kirche – nur in einem umgekehrten Sinne – nachäfften.
Indes kam Herr von Montaigne, welcher nicht mehr zu finden schien, daß die Rede seinen vollen Magen ermüde und beschwere, von selbst wieder auf Paris zu sprechen, welche Stadt er wohl über alle Maßen schätzte, da er mit höchstem Lobe von ihr sprach, was ich kurzweilig und auch erfreulich fand, hatte ich doch noch all das im Gedächtnis, was mir Hauptmann Cossolat zu Montpellier
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